Luther bedeutet mir…
Zum Jubiläumsjahr der Reformation haben sich verschiedene Mitglieder unserer und der katholischen Gemeinde Gedanken dazu gemacht, was Martin Luther oder die Reformation für sie bedeuten.
Martin Luther bedeutet für mich im wahrsten Sinne die Freiheit eines Christenmenschen. Gott liebt mich immer. Er macht seine Liebe nicht abhängig von guten Werken und Taten, die ich leiste. Wichtig ist, dass ich an Gott und Jesus Christus glaube. Meine Wünsche für das Reformationsjahr sind, dass die Aufbruchsstimmung in der Kirche anhält und dass sich die beiden großen Konfessionen einander annähern. Auch die Politik sollte sich auf Martin Luther besinnen und mehr Barmherzigkeit üben, insbesondere Abschiebungen von Flüchtlingen in nicht sichere Länder überdenken und gründlicher den Einzelfall prüfen.
Dagmar Schienhammer, Kirchenpflegerin
Martin Luther bedeutet für mich, dass er den Menschen klar gemacht hat, dass es einen liebenden Gott gibt, keinen Gott den ich fürchten muss, wenn ich mal etwas falsch gemacht habe. Ich kann mit all meinen Fehlern und mit all meinem Kummer zu ihm kommen. Ich muss nicht Angst haben, dass mein Vater im Himmel mit mir zornig ist oder mich nicht versteht..
Ich kann sicher sein, dass ich immer von ihm geliebt werde, ganz egal was ist oder was war
Karin Sußner, Kirchenvorsteherin für Weigenhofen
Schon als Schulbub war ich ein Lutherfan. Das lag wohl an unserem Lehrer, der Luther als den großen Mann der kleinen Leute darstellte, der sich gegen die Obrigkeit auflehnte. Ich habe noch ein Bild vor Augen, das in unserem Klassenzimmer hing, auf dem Luther vor dem Reichstag in Worms steht und seinen berühmten Satz sagte: „Ich stehe hier und kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen!“
Für mich war Luther damals so eine Art Rebell, der für das Gerechte kämpfte (ein deutscher Robin Hood)! Mit seiner wichtigen Erkenntnis beim Studium des Briefes des Paulus an die Römer Kapitel 1,16 und 17 sowie Kapitel 3, 21 habe ich mich erst viele Jahre später beschäftigt, nämlich mit der Frage: Wie wird der Mensch gerecht vor Gott?
Vor der Reformation galt die sogenannte formelle oder aktive Gerechtigkeit, mittels derer Gott gerecht ist und die Sünder und Ungerechten straft. Gott muss also mit guten Taten versöhnt werden, das heißt aber auch, Gott ist käuflich (Ablass).
Luthers Erkenntnis: Gottes Gerechtigkeit wird darin offenbart, wie geschrieben steht: Der Gerechte lebt aus Glauben, was ihn zu einer völlig neuen Interpretation der Bibel an vielen Stellen führte und das zu den Kernaussagen der Reformation führte:
Sola Fide: Allein durch den Glauben
Sola Gratia: Allein durch die Gnade
Sola Scriptura: Allein durch die Schrift
Solus Christus: Allein durch Jesus Christus
Allein durch diese vier Kriterien ist der Mensch gerechtfertigt vor Gott!
Der rechte Glaube ist also der Schlüssel!
Es ist ja leicht zu sagen, ich glaube!
Aber glaube ich richtig, habe ich mich gefragt? Wie stelle ich das fest?
Luther sagt: Woran du dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott. Mit dem Herzen an ihm hängen heißt nichts anderes als sich ganz auf ihn verlassen, ihm vertrauen. Luther sagt auch: Was ist Glaube nicht anders als lauter Gebet. Denn dabei vergewissere ich mich der göttlichen Gnade ohne Unterlass.
Mit dem Verstehen dieser Aussage Luthers habe ich erst die Reformation verstanden. Natürlich hat die Reformation viele positive Nebeneffekte. Luther förderte Bildung in allen Gesellschaftsschichten. Die Menschen sollten in der Lage sein die Bibel selbst zu lesen, damit sie nicht auf fehlerhafte Interpretationen anderer angewiesen sind. (Die Eltern sind die Apostel der Kinder, sagte er!) Das neue Denken in der evangelischen Gesellschaft führte zu mehr geistigen Freiheiten, die besonders der Wissenschaft zu Gute kamen, das spüren wir heute noch in unserer Gesellschaft.
Für mich ist Luther auch heute noch ein Phänomen, ein Mensch mit einer gewaltigen Schaffenskraft, wenn man bedenkt, was er alles geschrieben und übersetzt hat.
Ja, was er alles bewegt hat! Natürlich war er nicht allein, denken wir nur an Melanchton und die Anderen, die ihn unterstützt haben.
Für das laufende Reformationsjahr, aber auch für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir uns mehr mit den Ideen und Lehren Luthers auseinandersetzen, damit wir unseren evangelischen christlichen Glauben selbstbewusst und mit Freude nach außen gegenüber Andersgläubigen vertreten können.
Jürgen Schmidt, Prädikant
Martin Luther ist für mich ein großes Vorbild: Er war durch und durch Theologe, stand mit beiden Beinen im ‚Hier und Jetzt‘ und ihm war wichtig, dem Volk auf‘s Maul zu schauen, die Anliegen der Menschen ernst zu nehmen und ihnen Hilfen anzubieten.Die Reformation war ja ein längerer Prozess. Die damalige Welt war im Umbruch. Viele geistige und geistliche Personen haben dazu beigetragen, dass sie so bedeutsam wurde.
Als Religionslehrerin in verschiedenen Schulen gibt es sehr viele Schnittpunkte mit katholischen Religionslehrern/Pfarrern: Advents- und Passionsandachten, Weihnachtsgottesdienste und Schulanfangs- und Schlussgottesdienste, gemeinsame Aktionen, z. B. der Bibelmarathon in Ottensoos oder der Wort-Transport im Juli in Lauf anlässlich des Reformationsjahres. Ich empfinde es als ein ausgezeichnetes Miteinander und als große Bereicherung.
Unsere Veranstaltungen und Kreise in Ottensoos sind auch sehr ‚durchwachsen‘: Weltgebetstag, Hauskreis, Frauenkreis, Frauensingkreis, Liturgischer Chor, Bibelmarathon, Mithilfe beim Gemeindefest, Marionetten, Musical.
Ich kann mich noch erinnern als das 450-jährige Reformationsgedenken gefeiert wurde. Unser Pfarrer hat uns das im Religionsunterricht sehr anschaulich vermittelt. Im Konfirmationsunterricht lernten wir sehr viel aus dem Kleinen Katechismus von Martin Luther.
Mein Wunsch wäre es, dass die Bibel wieder mehr gelesen wird und die Menschen Gottes Wort als Hilfe und Wegweisung für ihr Leben erfahren können.
Elfriede Deinzer, Vertrauensfrau des KV
Martin Luther weckt in mir unterschiedliche Gerfühle. Zum einen finde ich es genial, dass er die Bibel ins Deutsche übersetzt hat und damit die Grundlage geschaffen hat, dass alle Menschen Gottes Wort lesen können und damit eigenständig darüber nachdenken konnten und können. Er war ein Kämpfer, der sich von der Obrigkeit nicht einschüchtern ließ, das bewundere ich sehr. Seine Sichtweise und Aussagen zu Frauen finde ich z.T. derb, diskriminierend und sehr unfreundlich.
Angelika Ziegler-Lassauer, Lektorin
Reformationsjubiläum – 500 Jahre Luthers Thesen:Da kommt mir Luther als Übersetzer in den Sinn. Zu seinen großen Leistungen gehören die Bibelübertragungen ins Alltagsdeutsch.
11 Wochen brauchte er für die Übersetzung des Neuen Testaments. 12 Jahre arbeitete er in Wittenberg mit einer Gruppe zusammen und übersetzte das Alte Testament. Es gab schon vorher Übersetzungen ins Deutsche, doch sie waren sprachlich nicht so bedeutsam.
Luther war ein Sprachen-Genie und hat um jedes einzelne Wort gerungen. Er hat auch viele Worte neu geschaffen, um zu vermitteln, was die biblische Botschaft meint. Worte wie „Geizhals“ oder „Lückenbüßer“ z.B. stammen aus seiner kreativen Ader.
Luther machte es sich nicht leicht. Er war ein gründlicher und exzellenter Sprachenformer. Die befreiende Botschaft der Bibel lag ihm dabei elementar am Herzen.
Was können wir von Luther lernen?
Ich denke es ist das große Engagement für die ermutigende und Hoffnung ermöglichende Botschaft der Bibel und des Glaubens. Wir leben in einer Zeit, in der unser christlicher Glaube nicht mehr verstanden wird. Die traditionellen Worte wie „Gnade“ z.B. oder auch „Sünde“ werden nicht verstanden. Es herrscht eine große Unwissenheit in Glaubensdingen. Die Glaubensweitergabe hängt zu einem großen Teil an der Sprache.
Von Luther zu lernen, „dem Volk aufs Maul zu schauen“ und um neue Worte und neue Bilder zu ringen, darin sehe ich das große Vermächtnis von Luther.
Josef Renner, kath. Priester in St. Johannes
In den vergangenen Jahrzehnten sind die Konfessionen in Ottensoos sehr aufeinander zugegangen. Es gibt gemeinsame liturgische Feste (z.B. Weltgebetstag der Frauen, Taizé-Andachten), ökumenische Gesprächsrunden und in der Jugendarbeit ist es schon seit meiner Jugend Usus, dass man als Katholik selbstverständlich die evangelischen Gruppenangebote nutzen konnte.Umgekehrt wird seit einigen Jahren das Sternsingerprojekt durch evangelische Jugendliche unterstützt. Der Posaunenchor ist aus der Kirchenmusik nicht wegzudenken und so hat er auch den Jubiläumsfestgottesdienst mit Erzbischof Schick musikalisch bereichert. Wir haben in Ottensoos ein gutes Miteinander. Das Wissen voneinander und das Verständnis füreinander haben zugenommen. Insgesamt gilt: Das, was uns verbindet, ist viel stärker als das, was uns trennt.
Gerade in unserer globalisierten und säkularisierten Welt wäre das Christentum glaubwürdiger, wenn man sich als große Gemeinschaft zeigen würde. Absichtserklärungen aus Rom gab es immer wieder. Für das Jubiläumsjahr 2017 sollten die Verantwortlichen die vorliegenden Ergebnisse der ökumenischen Dialogkommissionen konsequent in die Tat umsetzen.
Die Zeit ist reif, dass die protestantischen Ämter anerkannt werden. Ich lebe in einer konfessionsverbindenden Ehe, daher wünsche ich mir auch die „offizielle“ gegenseitige eucharistische Gastfreundschaft.
Tanja Riedel, Lektorin in der kath. Gemeinde
Ich bewundere an Luther, dass er den Mut hatte, sich den mächtigsten Männern seiner Zeit zu widersetzen.Es würde mich aber interessieren, was er dazu gesagt hätte, dass die Trennung der Konfessionen so viel menschliches Leid nach sich zog, z.B. die Beinahe – Ausrottung der europäischen Bevölkerung im Dreißigjährigen Krieg.
Ich kenne es aus meiner Kindheit auch noch, dass sich die Konfessionen mit Vorurteilen begegneten.
Angesichts des aktuellen Bedeutungsverlusts der Kirchen in unserer Gesellschaft bin ich der Meinung, dass es sich die beiden Kirchen auf Dauer nicht leisten können, nebeneinander zu arbeiten, sondern sie sollten mehr zusammen tun, wie es z.B. in der Hospizarbeit schon heute passiert.
Dadurch wären mehr Kräfte frei für die Kernaufgaben der Christen: Verkündigung und Seelsorge.
Ute Pürkel, Kirchenbotenredaktion