Schwerpunkt
Die Losungen
Weit verbreitet in unseren Gemeinden ist das blaue Losungsheftchen. Wir bieten eine Sammelbestellung jedes Jahr hier im Kirchenboten an. Vor kirchlichen Veranstaltungen oder Sitzungen wird oft die Losung des Tages gelesen und es werden ein paar Worte dazu gesagt, und bei einigen Gemeindegliedern beginnt der Tag mit der Lesung der Losungen.
Besonders bekannt ist die Jahreslosung, welche im Silvester- oder Neujahrsgottesdienst näher beleuchtet wird und uns durch Plakate oder Buchzeichen während des Jahres immer wieder in Erinnerung gebracht werden soll.
Was verbirgt sich dahinter und was ist der Ursprung der Losungen? Irgendwas mit Herrnhut, wo auch die schönen Weihnachtssterne herkommen und irgendwas mit Zinzendorf, das wissen noch einige, aber irgendwie auch nicht so genau. Deshalb soll dieser Kirchenbote über das Woher und das Warum aufklären und auch ein bisschen Werbung machen für diese Form, sich im Alltag einen Raum für Gottes Wort zu schaffen.
Alle Erläuterungen basieren auf der Homepage der Herrnhuter Brüdergemeine.
Die Anfänge der Herrnhuter
Unsere Kirche gründet auf Martin Luther, doch schon 100 Jahre früher hatte Jan Hus in Böhmen die Missstände in der Kirche angeprangert, aber die Zeit war wohl für eine Reformation noch nicht reif und Hus endete am Scheiterhaufen. Die Böhmische Brüderunität entstand 1457 als evangelische Kirche und sie lebten fast 200 Jahre als Christen in der Minderheit mitten im katholischen Königreich Böhmen.
Die zweite Wurzel der heutigen Brüdergemeine ist die Gründung von Herrnhut in der Oberlausitz. (Wer Dresden besucht und weiter Richtung Polen fährt Richtung Görlitz, hat es nicht mehr weit bis Herrnhut, ca. 100 km.) Nachfahren der Böhmischen Brüder siedelten sich ab 1722 hier auf dem Besitz des jungen Reichsgrafen Nikolaus Ludwig von Zinzendorf an. Zinzendorf war Lutheraner und stand der kirchlichen Erneuerungsbewegung des Pietismus nahe. Aus beiden Wurzeln entstand die Herrnhuter Brüdergemeine, die sich zu einer neuen und eigenständigen Bewegung entwickelte. Der damaligen Sprache ist das fehlende d geschuldet; man sprach von der »Gemeine«. Erst später setzte sich der Begriff »Gemeinde« durch. Im Eigennamen der Brüdergemeine fehlt das d bis heute.
Die Herrnhuter – was machte diese Gruppierung aus?
Die Herrnhuter entwickelten zahlreiche neue Lebens- und Glaubensformen. 1728 zogen die unverheirateten jungen Männer zusammen, um ihren Glauben gemeinsam in besonderer Verbindlichkeit zu leben. Von diesen Bewohnern des „Brüderhauses“ gingen zahlreiche Impulse für die junge Gemeinschaft aus. Sie lebten zusammen, arbeiteten zusammen und hielten gemeinsame Versammlungen. Ähnlich die jungen Frauen. So erhielten von Anfang an Frauen Verantwortung in der Leitung, Seelsorge und Verkündigung.
Am 21. August 1732 sandte die junge Herrnhuter Gemeinde zwei erste Missionare aus. Auslöser war eine Begegnung, die mehrere junge Männer nachhaltig beeindruckt hatte: Anton, ein schwarzer Diener vom dänischen Königshof, der als Kind von Westafrika nach Mittelamerika verkauft worden war, hatte bei einem Gemeindeabend in Herrnhut von der seelischen und sozialen Not der Sklaven auf den Zuckerrohrinseln in der Karibik berichtet.
Fast mittellos und nur auf ihrer Hände Arbeit angewiesen, machten sich in den Folgejahren Hunderte auf den weiten und gefährlichen Weg über alle Weltmeere und in alle Klimazonen, um den christlichen Impuls weiterzugeben, den sie zuvor selbst erlebt hatten. Sie suchten den Kontakt zu den Versklavten, zu Indigenen und zu anderen besonders benachteiligten Bevölkerungsgruppen.
Nach Zinzendorf sollte es dabei nicht um flächendeckende Christianisierung, sondern um die Zuwendung zu einzelnen Menschen gehen.
Die Herrnhuter heute
Die Herrnhuter sagen über sich selbst:
„Die Herrnhuter Brüdergemeine ist eine offene Kirche. Sie sieht ihren Weg zu Gott und zu Jesus Christus nicht als den einzig richtigen an. Das prägt ihr Verhältnis zu den Schwesterkirchen in der Ökumene. Und das bestimmt auch ihr Verhältnis zu den eigenen Mitgliedern, denen sie Raum zur individuellen Entfaltung lässt.
Zugleich möchte die Brüdergemeine ihren Glauben verbindlich leben. Ihr Ziel ist eine Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern, die sich auf dem Weg des Glaubens gegenseitig stützen, ohne sich einzuengen.
Offen und verbindlich – diese Spannung will mit Leben erfüllt werden: Offen für unterschiedliche Glaubensformen, ohne den eigenen Glauben an Jesus Christus zu verleugnen. Verbindlich im Glauben an Gott und in der Gemeinschaft mit Schwestern und Brüdern, ohne sich durch eine falsche Enge oder eine Vielzahl von Regeln einschnüren zu lassen.“
Ansonsten sind die Herrnhuter so unterwegs wie auch die lutherische Kirche, aus der missionarischen Arbeit des Anfangs ist eine weltweite Verbundenheit entstanden, die schon lange keine Einbahnstraße mehr ist, sondern unter dem Motto steht: „miteinander glauben – voneinander lernen – füreinander einstehen“.
Diakonische Arbeit ist ein weiteres wichtiges Standbein der Herrnhuter, so betreiben sie Einrichtungen und Dienste in den Bereichen Alten- und Behindertenhilfe, Bildung, Kinder- und Jugendhilfe sowie Hospiz- und Palliativarbeit.
Von Anfang an war den Herrnhutern auch die Bildungsarbeit ein grundlegendes Anliegen und sie betreiben aktuell 11 Schulen in einem breiten Spektrum von allgemeinbildenden über berufsbildende hin zu Förderschulen oder einem Internat, darunter sind Schulen in den Niederlanden, Lettland oder auch Tansania.
Auch die Musik spielt eine große Rolle, hierbei ganz zentral die Bläsermusik. Aktiv sind die Herrnhuter auch in der Jugend- und Familienarbeit.
Überraschend mag sein, dass auch diverse Wirtschaftsbetriebe zu den Herrnhutern gehören, was geschichtlich begründet ist, da Glaubensflüchtlinge aus Mähren im 18. Jahrhundert nicht nur eine geistliche Heimat brauchten sondern auch Verdienstmöglichkeiten. Damals gab es Weberei, eine Seifensiederei, Tischler-, Goldschmiede- und Uhrmacherwerkstätten und heute sind die Herrnhuter immer noch wirtschaftlich präsent in der Forstwirtschaft, einer Holzmanufaktur, Ofenbau, Textildruck, Sternemanufaktur und einer Buchhandlung. Dabei soll nach wie vor die alte Prämisse gelten: „Lass Handel und Gewerbe unter uns dir geheiligt sein; lass es redlich unter uns zugehen in allen Dingen. Lass uns an der Arbeitsstätte einander achten und nach deinem Willen leben.“
Und wo sind die Herrnhuter Gemeinden anzutreffen?
Gemeinden gibt es vornehmlich in den Niederlanden, in Dänemark, der Schweiz und in den östlichen Bundesländern Deutschlands
Und die Losungen?
Die Losungen sind ein Andachtsbuch, das für jeden Tag des Jahres zwei Bibelverse enthält: die „Losung“ aus dem Alten Testament und den „Lehrtext“ aus dem Neuen Testament. Ergänzt werden die beiden Texte durch einen Liedvers oder ein Gebet. Die alttestamentliche Losung wird ausgelost, die anderen Texte thematisch passend dazu ausgesucht.
Die Losungen sind ein Weg, Gottes Wort mit unserem Alltag zu verbinden. Sie können ein erster Schritt sein, die Bibel in ihrer ganzen Breite und Tiefe kennen zu lernen.
Herausgegeben werden die Losungen seit 1731 Jahr für Jahr von der Evangelischen Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine und mittlerweile in 60 Sprachen übersetzt.
Stimmen von Gemeindemitgliedern
Die Losungen sind für mich ein geistiger Jahresbegleiter. Es erstaunt mich immer wieder, wie aktuell die gelosten Bibelstellen auf persönliche oder auf politische Situationen passen. „Licht und Kraft“ heißt unser Losungsbuch, es ist mit Auslegung und diese hilft beim Verstehen des Textes.
Wir haben das Losungsbuch mit leeren Zwischenseiten und wir nutzen es auch als Terminkalender. Manchmal habe ich gedacht, ob das nicht zu profan sei, dort seine Termine einzutragen, aber eigentlich ist es ein Zeichen dafür, dass Glaube und Alltag ineinander greifen. Es ist ja auch nicht das Schlechteste, wenn der Arzttermin neben der Tageslosung steht.
Ich könnte mir nicht vorstellen, den Tag z.B. mit den aktuellen (meist schlechten) Nachrichten aus aller Welt zu beginnen oder noch schlimmer mit einem Musikgedudel. Ein Bibelvers ist wie ein gutes Frühstück: Grundlage für den Tag!
Das Wort Gottes durch die Losungen sind für mich Balsam für die Seele.
Heute Morgen im Losungskalender – Ich bin Gast auf Erden – Psalm 119,19Dieser Satz erdet mich und ich kann meine täglichen kleinen Sorgen besser einordnen und nicht so wichtig nehmen.
Oft treffen die täglichen Losungsverse genau meine Lebenssituation und es kommt mir vor, wie wenn jemand meine Gedanken lesen kann.
Jedes Jahr bin ich gespannt auf die Jahreslosung – gepaart mit Vorfreude. Meistens ist sie ein Wegbegleiter das ganze Jahr hindurch – Zuspruch und/ oder Anspruch zugleich.Die Jahreslosung mache ich ‚sichtbar‘, damit ich sie oft lesen oder betrachten kann.
Es gab auch Jahreslosungen welche mich am Anfang wenig angesprochen haben. Und dann gab es während des Jahres Situationen, wo sie für mich eine große Hilfe war.
Die Jahreslosung:Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“
Korinther 16,14
Für mich erhebt die Jahreslosung einen großen Anspruch. Ist es überhaupt möglich, alles in Liebe zu tun? Ich als Mensch kann es nicht. Aber Gottes Liebe ist so groß, dass er auch alles, was wir ohne Liebe tun in Liebe verwandeln kann. In der Regel der Benediktiner steht in etwa: „Immer wenn es an Deiner Pforte klopft, könnte Jesus vor der Tür stehen.“ Wenn es mir einzuüben gelingt, alles für Jesus zu tun, dann geschieht alles, was ich tue in Liebe.
Bildnachweis: Gemeindebriefmagazin
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