7 Wochen ohne

Fasten – ist das überhaupt etwas für evangelische Christen, ist das nicht eher katholisch und von Martin Luther für uns abgeschafft worden?

In der Tat galt den Reformatoren das Fasten als gutes Werk, mit dem man Gott gnädig stimmen wollte und das somit dem reformatorischen Glaubensgrundsatz widerspricht, dass die Rechtfertigung vor Gott allein aus dem Glauben kommen kann und keiner guten Werke bedarf. Über Jahrhunderte ist der Brauch im Protestantismus in Vergessenheit geraten und erst die Aktion „Sieben Wochen ohne“ hat diese christliche Tradition wieder populär gemacht.

Ihren Anfang nahm sie in Hamburg 1983, als eine Gruppe von Journalisten und Theologen beschloss, von Aschermittwoch bis Ostern zu fasten. Bei einem Aufruf meldeten sich 70 Interessierte für die Aktion an und sie zog schnell weitere Kreise, so dass sie von der Nordelbischen Kirche auf das ganze Bundesgebiet ausgeweitet wurde und schon 1989 beteiligte sich 500.000 Menschen an der kirchlichen Fastenaktion.

Mittlerweile geht die Zahl in die Millionen, nach Umfragen von „Emnid“ und „Stern“, und viele Menschen fasten in dieser Zeit unabhängig von der Aktion. Regelmäßig wird auch in den Medien über das Fasten berichtet.

Frühjahrsdiät

Der Fasten – „Klassiker“ ist der Verzicht auf Genussmittel wie Süßigkeiten und Alkohol oder andere bestimmte Nahrungsmittel, aber auch der bewusste Umgang mit Medien ist ein wichtiges Thema, z.B. den Gebrauch von Internet und Smartphone einzuschränken. Dabei geht es einerseits um Verzicht aber andererseits auch um die Möglichkeit, bewusster zu leben und neue Freiräume zu entdecken, ganz nach dem Motto „Weniger ist mehr.“

Eine weitere Motivation kann es sein, durch den Konsumverzicht Solidarität mit Benachteiligten zu zeigen und auch bewusst Produkte aus dem fairen Handel zu kaufen.

Natürlich kann man bei diesem Zuspruch auch darüber nachdenken, ob es wirklich darum geht, ein altes Wissen um das Fasten als positive Erfahrung wiederzubeleben oder ob es sich eher um ein trendiges Lifestyle-Event handelt.

Das mag jeder für sich selbst entscheiden. Ein „Mehr“ ist wohl dann zu erreichen, wenn der oder die Fastende verinnerlicht, dass es neben dem Verzicht vor allem darum geht, sich zu besinnen und nachzudenken. Dass Fasten auf jeden Fall biblisch verankert ist, zeigt die Geschichte, als Jesus 40 Tage fastend und betend durch die Wüste zog.

Für uns Christen ist natürlich grundlegend, dass wir uns zwischen Aschermittwoch und Karfreitag auf die Passion Jesu besinnen. Der Weg zum Kreuz mit allen Begebenheiten, die sich im Vorfeld abspielten, war eben kein einfacher Weg und dies sollten wir uns in jedem Jahr neu bewusst machen. In diesem Leidensweg verbündet sich Jesus mit uns Menschen, denn kein menschliches Leben kann ohne Leidenszeiten gelebt werden. Diese Tatsache ist nicht sehr attraktiv, aber eine Tatsache, die verdeutlicht, dass Fasten eigentlich Teil jeden Lebens ist und wesentlich mehr als ein augenblicklicher Trend.

Wenn Sie sich einen Fastenkalender oder anderes Material bestellen wollen, finden Sie die Möglichkeit dazu, wenn Sie „7 Wochen ohne 2019“ z.B. bei Google eingeben.

 

Fastenzeiten spiegeln wohl eine zutiefst menschliche Erfahrung, denn das Fasten spielt in allen Weltreligionen eine Rolle. Auch Menschen, die keine religiösen Bezüge haben, empfinden es gerade oft im Frühjahr als hilfreich, einmal kürzer zu treten und sich vom Winterspeck zu befreien.

Fasten gibt es also rund um den Erdball – wie wird es in den verschiedenen Religionen interpretiert?

 

BuddhismusIm Buddhismus gibt es keine allgemeingültige Fastenzeit, allerdings spielt der Verzicht im Buddhismus grundsätzlich eine tragende Rolle, weil es darum geht, die Ursachen allen Leides zu überwinden und das ist oft der Egoismus.
Das Vesakh-Fest geht mit Fasten einher, hier wird der Geburt, Erleuchtung und des Todes Buddhas gedacht. 
 Hinduismus

Wie im Buddhismus gibt es auch im Hinduismus keine einheitliche Fastenzeit, aber manche Hindus fasten an den Ehrentagen Shivas und Krishnas.

Auch Mahatma Gandhi gilt als Vorbild, um durch Fasten ein politisches Ziel zu erreichen.

Sadhus sind hinduistische Wanderasketen, die nur das Nötigste zum Leben haben und deren ganzes Leben von Askese und Meditation geprägt ist.

Eine Extremform ist das Fasten bis hin zum Suizid, das z.B. von Schwerkranken ausgeübt wird aber nur erlaubt ist, wenn der Wille von Gelehrten geprüft und erlaubt wurde. 

Judentum

Das Judentum kennt mehrere Fasttage, aber es gilt: Faste nie mehr als 25 Stunden – die Gesundheit geht vor. Der strengste Fasttag ist der Versöhnungstag Jom Kippur. Diejenigen, welche religiös sind, enthalten sich die Nacht und den ganzen darauffolgenden Tag der Speisen und Getränke. Auch Sex, Autofahren, Baden und anderes sollen nicht von der seelischen Reinigung ablenken. Das Fasten endet sobald drei Sterne am Himmel stehen.

Viele gläubige Juden verzichten an den sieben Tagen vor Pessach (Erinnerung an den Auszug aus Ägypten) auf gesäuerte Speisen.

Islam

Am bekanntesten ist uns der Ramadan im Islam, der durch unsere muslimischen Mitbürger auch in unser Bewusstsein gekommen ist. Muslime haben fünf Glaubenspflichten zu erfüllen und eine davon ist das Fasten. Der Ramadan ist der neunte Monat im muslimischen Kalender und da sich dieser nach dem Mond richtet, findet er jedes Jahr zu einem andern Zeitpunkt statt, da sich unser Kalender nach dem Sonnenjahr ausrichtet. Im Ramadan verzichten gläubige Muslime von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken und Sexualität. Sie sollen in dieser Zeit aber auch mit ihren Mitmenschen ins Reine kommen und durch ihren Verzicht auf die Armen achten. Ausgenommen vom Fasten sind Kinder, Schwangere, Kranke und Reisende.

Am Ende des Ramadan findet das große Fest des Fastenbrechens statt (türk. Zuckerfest) und es hat bei den Muslimen die gleiche wichtige Bedeutung wie bei uns Weihnachten. Es gibt Geschenke und die Familie feiert gemeinsam. 

 


 

Stimmen von Gemeindemitgliedern

Mir ist es wichtig, die Fastenzeit bewusst zu begehen. Das gestalte ich unterschiedlich (mal mit Verzicht auf Süßigkeiten, Alkohol oder dem Vorsatz, mich mehr an der frischen Luft zu bewegen oder mich von alten Dingen zu trennen), aber immer mit einem Fastenbegleiter – z. B. dem Kalender „Sieben Wochen ohne“, der Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland oder dem Fastenwegweiser „Wandeln“ vom Andere-Zeiten-Verlag. Das hilft mir, mein Handeln im Alltag zu überdenken, vielleicht manche festgefahrenen Strukturen ein wenig zu lockern und achtsamer mit mir selbst und meinen Mitmenschen umzugehen. Mal gelingt es besser, mal weniger gut, aber es ist meistens eine Bereicherung für mein Leben, gerade auf dem Weg hin zum Osterfest, an dem wir den Sieg des Lebens über den Tod feiern. 

„7 Wochen ohne“ sind für mich jedes Jahr ein Grund, um über meine Lebensgewohnheiten nachzudenken. Fasten gehört für mich und meine Familie in der Passionszeit dazu. Wir überlegen uns jedes Jahr auf´s Neue, worauf wir in der Fastenzeit bewusst verzichten möchten.

Ich selber faste jedes Jahr Alkohol, mein liebgewonnenes Glas Wein am Wochenende und die Schokolade zum Espresso am Mittag. Wir haben aber auch schon auf Wurst und Fleisch verzichtet, was in der Familie durchaus eine Herausforderung war. 

Verzicht ist ein Wort, das in unserer Zeit nur schlecht ankommt. Alle früheren Generationen und die Mehrheit der Menschen aktuell mussten bzw. müssen wohl oder übel Verzicht üben. Ich denke, es schadet uns nicht, wenn wir das wenigstens ansatzweise einüben. Dadurch wird mir auch bewusster, wie ungemein gut es uns geht. 

Ich trinke abends gerne ein Glas Wein. Die Fastenzeit ist für mich wichtig, um zu sehen, dass ich darauf verzichten kann – alles andere fände ich bedenklich. 

Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. Für mich hatte dieses Datum lange Zeit keine Bedeutung. Doch mich hat der Ruf der Mediziner und die Idee des Fastens von christlicher Seite her erreicht. Ich wollte für eine Woche die Probe aufs Exempel durchführen und gar nichts essen. Mir wurde bewusst, welch breiten Platz die Einnahme von Speisen im Alltag einnimmt. Ich machte die Erfahrung, dass sich ein richtig großes Hungergefühl auch nach einer Woche nicht einstellt, allerdings schon eine unheimliche Lust zu essen. Die gewonnene Zeit habe ich zur Entschleunigung und für Mediationen genutzt. Die vielfältigen Geschmackserfahrungen bei der ersten Einnahme von Speisen nach dieser Woche waren beeindruckend und ich konnte neu wertschätzen, dass wir jederzeit Essen zur Verfügung haben. Im letzten Jahr ist mir dieses Fasten nicht gelungen, aber in diesem Jahr will ich es auf jeden Fall mit Nachdruck wiederholen. 

Die Texte und Bilder des Fastenkalenders bereichern diese Wochen – nicht jeden Tag und manches gefällt mir auch nicht, dann denke ich mir, vielleicht spricht dieser Text heute jemand anderen besonders an. 

Inwieweit und ob ich in der Fastenzeit auf gewisse „Luxusnahrungsmittel“ wie Alkohol oder Schokolade verzichte, weiß ich noch nicht. Wenn man jenseits der Lebensmitte ist, kommt einem der Gedanke, dass es vielleicht einmal Zeiten gibt, von denen es in der Bibel heißt „sie gefallen mir nicht“ (Prediger, Kap. 12) und man sowieso aus gesundheitlichen Gründen auf manches verzichten muss. Deshalb stehe ich, je älter ich werde, dem Fasten als Verzicht auf Essen und Trinken zunehmend skeptisch gegenüber. Ich nehme mir lieber vor, in der Fastenzeit mehr in der Bibel zu lesen, obwohl das eigentlich wenig mit Fasten zu tun hat, sondern eine große Bereicherung darstellt. 

 

Bildnachweis: Gemeindebriefmagazin