Auf ein Wort
Was passiert, wenn der Glaube erwachsen wird?
Als ich den Satz das erste Mal gehört habe, war ich erstaunt. Glaube ist nicht immer der gleiche Glaube? Glaube kann sich entwickeln?
Im Lauf der Zeit habe ich kapiert, dass nicht nur ich als Mensch mich entwickle und sich meine Sinne und Ausdrucksmöglichkeiten entfalten. Ich lerne als Baby Dinge mit den Augen zu fixieren, ich lerne immer mehr an Mimik und Gestik und durch die Sprachentwicklung versteht meine Umwelt immer besser, was ich meine und sage. Diese Entwicklung gilt auch für das, was ich für wahr halte. Mein Glaube macht auch eine Entwicklung durch. Als Kind glaube ich an die Gerechtigkeit und an das Gute in der Welt. Und wenn ich etwas Böses getan habe, wird mich Gott bestrafen. Ein geradliniger Glaube, bei dem alles klar ist. Bis zu dem Zeitpunkt, wo ich merke, dass dieser Kinderglaube auf die Wirklichkeit stößt und ich etwas Schlimmes erlebe, obwohl ich selbst nichts Böses getan habe. Dann fühle ich mich ungerecht behandelt und grundlos bestraft.
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich resigniere und werfe den Glauben über Bord: „Gott gibt es nicht, sonst würde er das nicht zulassen.“ Oder ich mache mir tiefe Gedanken und lasse es zu, dass sich mein Glaube entwickelt. „Ich weiß nicht, warum Gott das zugelassen hat. Aber ich bin mir sicher, dass er mich nicht verlässt.“
Eine wichtige Station auf diesem Weg ist die Konfirmation und die Vorbereitung darauf. In der Zeit können die Jugendlichen ihren eigenen Glauben reflektieren: an was glaube ich denn? An Gott den Schöpfer, an Jesus den Weltenretter, an den Heiligen Geist, der Kraft gibt? Oder ist das nur die Vorgabe der Tradition und ich glaube eigentlich ganz was anderes? Es hilft, sich darüber Gedanken zu machen, sich bewusst zu werden, was die inneren Sehnsüchte und Hoffnungen sind; woraus der eigene Glaube besteht. Damit er kein Kinderglaube bleibt, sondern erwachsen werden kann und mich begleitet.
Ihr Albrecht Kessel, Pfarrer