Konfirmation – wie war das denn früher, als die Zeiten noch schlechter waren?
In diesem Jahr fand in Ottensoos am Weißen Sonntag wegen der Corona-Pandemie keine Konfirmation statt, ein wohl einmaliger Vorgang in der Ottensooser Kirchengemeinde. Allerdings gab es einen weiteren Jahrgang, bei dem die Konfirmation nicht in den altbekannten Bahnen verlaufen konnte und das war der Konfirmandenjahrgang 1945.
Für diesen Kirchenboten wurden Konfirmanden der Jahrgänge 41/ 43/ 45 und 48 befragt, wie Konfirmation damals vonstatten ging, aber zunächst soll es um diesen besonderen Jahrgang 45 gehen.
Die Konfirmation fand am 18. April 1945 statt, also nicht einmal mehr ein Monat hin bis zum Kriegsende am 8. Mai und doch für die Ottensooser ein schwieriger Tag. Nürnberg war im Januar bombardiert worden und in Berlin tobte der Kampf um die Hauptstadt durch die Rote Armee. In Bayern versuchten die Amerikaner den letzten Widerstand zu brechen, weshalb es zu Bombardements an diesem Tag kam. Sie galten vornehmlich der rechten Bahnstrecke bei Reichenschwand, wo noch deutsche Truppen- und Militärtransporte stattfanden, aber auch in Ottensoos war Fliegeralarm.
Die Konfirmanden waren schon im Pfarrhaus versammelt, um mit dem Posaunenchor in die Kirche einzuziehen, allerdings ohne den üblichen grünen Teppich aus Fichtenstreu, weil in diesen Zeiten niemand Zeit und Muße zum „Schneckern“ gefunden hatte. Da gab es also Fliegeralarm und an einen geordneten Einzug war nicht zu denken. Pfarrer Lammel schickte die Konfirmanden dann einzeln nacheinander in die Kirche und sie mussten sich an den Zäunen entlang drücken, damit sie nicht auf offener Straße einen Angriffspunkt boten. Als dann alle in der Kirche waren, konnte kein geordneter Gottesdienst stattfinden und immer wieder wurden die Besucher aufgefordert in Deckung zu gehen, etwa unter der Orgel. Der Pfarrer versuchte die ängstlichen Menschen zu beruhigen, dass sie in der Kirche am sichersten seien und tatsächlich hatten die Amerikaner nicht die Absicht, die Kirche zu bombardieren, wovon man zu diesem Zeitpunkt aber natürlich nicht sicher ausgehen konnte.
Ganz bestimmt empfand die Festgemeinde die nachmittägliche Andacht als Wohltat – ohne Fliegerangriff und mit der Gewissheit, dass in Ottensoos niemand zu Schaden gekommen war.
Von „Betzen“ und anderen Braten
Zum Konfirmationsfest gehört natürlich auch ein besonderer Festschmaus und alle Familien gaben sich erdenkliche Mühe, trotz der schlechten Zeiten, für ihre Konfirmanden ein Festessen zu organisieren. Nicht alle Befragten wussten mehr genau was es gab. Es mag wohl eine Nudel- oder Leberknödelsuppe gewesen sein. Bei Falks hatte der Vater Beziehungen zu einem Freund, der im Schlachthof arbeitete und es gab saure Lunge mit Knödeln, bei Familie Ruder kam ein Stallhase in gebratener Form auf den Mittagstisch. Gar nicht am Mittagstisch blicken ließen sich die Jungen des Jahrgangs 1943. Ihr Mitkonfirmand „Brunnerbauer“ aus Rüblanden hatte nicht nur viele Geschwister sondern sein Vater war auch Schafhirte und hatte viele Schafe, von denen eines zur Feier des Tages geschlachtet wurde.
Diesen Festschmaus ließen sich die Jungs nicht entgehen, sondern gingen nach dem Gottesdienst kurzerhand mit nach Rüblanden, worüber die Festgesellschaft von Georg Keltsch am heimischen Tisch nicht besonders begeistert war.
Keinen einzigen Bissen vom Betzen brachte hingegen Lisbeth Herzog an ihrer Konfirmation hinunter. Etwa zwei Jahre vorher hatte ihr Vater, der Wirt beim heutigen Pepe, einem Hirten erlaubt, seine Schafe auf der großen Wiese hinter dem Wirtshaus weiden zu lassen. Als Dank ließ der Schäfer ein Lämmlein da, welches Lisbeths Spielkamerad „Hanse“ wurde. Hanse ließ sich herzen und am Strick durch die Gegend führen, und es war sicher nicht im Sinne der Konfirmandin, dass er als Konfirmationsbraten endete, weshalb sie bis heute kein Lammfleisch essen mag.
Zum Kaffee kam ein Gesundheitsschatt auf den Tisch, aber Frieda Falks Schwester war beim Bauern Kroder in Stellung und hatte es tatsächlich 1945 geschafft, für ihrer Schwester eine wunderbare Buttercremtorte zu zaubern, die zum Kühlen in den Keller gestellt worden war. Als die Konfirmandin nach dem Schrecken des denkwürdigen Gottesdienstes nach Hause kam, wollte sie einen Blick auf dieses Wunder werfen, da waren nur noch drei Stücke da. Ihre beiden Brüder, die daheim geblieben waren, hatten sich gedacht, dass es doch schade um die schöne Torte sei, wenn alles in Schutt und Asche gebombt würde. Immerhin ein Stück bekam die Konfirmandin dann doch ab. Bei Familie Ruder gab es einen „schwarzen Gesundheitsschatt“ – schwarz natürlich nicht vom Kakao, der einen unvorstellbaren Luxus dargestellt hätte, sondern vom Roggenmehl. Das Schmalz für den Kuchen stammte von einem (durch Bombenangriff) liegengebliebenen Güterzug, von dem sich die Einwohner das transportierte Schmalz „organisiert“ hatten und Mutter Ruder hatte den Schmalztopf kurzerhand im Garten vergraben, um ihn vor Dieben zu schützen und für das große Fest der Konfirmation aufzusparen.
Ohne Vorbereitung geht gar nichts
Wie heute ging der Konfirmation der Konfirmandenunterricht voraus, der einmal in der Woche stattfand und zwar im damaligen Schulhaus im ersten Stock, dort wo heute das Rathaus ist. Der Pfarrer mag seine liebe Mühe gehabt haben, da die Jahrgänge doch stark waren. Es galt viele Verse aus dem Gesangbuch, Psalmen und Luthers Auslegungen zum kleinen Katechismus zu lernen. Bei der nächsten Konfirmandenstunde musste eine oder einer den Lernstoff dann hersagen und man tat gut daran, dies möglichst fehlerfrei zu können, sonst… Eine Minderung oder Erlass des Lernstoffs konnte erwirkt werden, wenn man Heilkräuter für die Versorgung der Soldaten sammelte und abgab. Die Kräuter wurden dann am Kirchendachboden getrocknet.
Die Rüblander Konfirmanden gingen über Mittag immer zu einer Freundin/ einem Freund in Ottensoos, weil es sich nicht lohnte zwischen Schule und Konfirmandenunterricht heimzugehen.
Die Kirchengemeinde sollte vor der Konfirmation davon überzeugt werden, dass die Konfirmanden in den letzten beiden Jahren auch etwas gelernt hatten. Dazu gab es den Vorstellungsgottesdienst am Ostermontag. Die Kirche war gerappelt voll und die Konfirmand/innen wurden abgefragt. Sicherlich hat der Pfarrer dann auch das Vermögen seiner einzelnen Schäfchen im Hinterkopf gehabt, so wurde Georg Keltsch gleich 14 mal gefragt. Erinnert wird auch, dass der Pfarrer mal einen Buben tröstete, der anfing zu weinen, weil ihm sein Vers nicht mehr einfallen wollte. Sicher gab es auch Absprachen, wer was zu sagen hatte, aber insgesamt sind wohl die heutigen Konfirmanden froh, dass es diese Prüfungsform nicht mehr gibt!
1945 gab es nach Abschluss der Konfirmation auch noch die Christenlehre, die sonntags um 13 Uhr (bevor es zum Sportplatz ging) in der Kirche stattfand und bei der auch in der Bibel gelesen wurde. Das war nicht mehr verpflichtend, aber die meisten wurden doch von den Eltern geschickt. Es war wohl so eine Art Jugendkreis, allerdings ging die Christenlehre irgendwann zwischen 1945 und 48 verloren.
Zur Vorbereitung des Festes gehörte wie heute das „Schneckern“ und abgesehen vom genannten Jahrgang 1945 war das eine Ehrensache, dass es einen dichten grünen Teppisch vom Pfarrhaus zur Kirche gab. Ging es da mit dem Pferdefuhrwerk in den Wald, so wie man es eben heute mit dem Bulldog macht? Weit gefehlt! Die Jungs zogen mit dem Leiterwagen los und es waren wohl etliche Fuhren nötig, bis genügend Streu zusammen war. Das Häckseln war dann die Arbeit daheim und es wäre den vielbeschäftigten Eltern nicht in den Sinn gekommen, dabei zu helfen, sondern das war allein die Aufgabe der Jugendlichen.
Seit wann gibt es diesen Brauch eigentlich? Diese Frage kann wohl nicht beantwortet werden. Konrad Haber als der Älteste der Befragten, der 1941 konfirmierte, kann sich nicht erinnern, dass es in seiner Kindheit jemals anders war.
Früher waren alle braver? – Denkste!
Wie gesagt hatte der Pfarrer mit den vielen Kindern sicherlich gut zu tun, aber er hatte als Helfer immer sein „Steckerler“ zur Hand. Damit gab es entweder was über die Finger oder der Delinquent musste sich über die Bank beugen und bekam was hinten drauf.
Streiche gab es auch, so brachten die Weigenhofer einmal Niespulver mit. Der Pfarrer hatte vorne schon seine Bibel aufgeschlagen, als er noch einmal den Raum verließ. Die Bibel wurde mit dem Niespulver präpariert und als der zurückgekommene Pfarrer nicht mehr aus dem Niesen herauskam, drohte er den Konfirmanden, dass er sie nicht konfirmieren würde (eine Drohung, die sich auch in späteren Zeiten wiederholte :-)). Er verließ den Schulraum und die betretenen Konfirmanden beratschlagten was zu tun sei. Die braven Mädchen machten sich auf den Weg ins Pfarrhaus und entschuldigten sich förmlich, und die Konfirmation fand natürlich statt.
Einmal kicherten die Mädchen dauernd, so dass der Pfarrer mit dem Handrücken auszog und ein Mädchen so mit seinem Siegelring traf, dass sie an der Backe blutete. Sie ging gleich heim und der Pfarrer bekam einen Besuch vom erbosten Vater. Die Buben erzählten ihre Übeltaten daheim wohl lieber nicht, sonst hätte es noch mal Prügel gegeben.
Eine der Befragten erinnerte sich, dass ein Bub den Pfarrer mal selbst beim Schlawittel gepackt haben will, so dass dessen Knöpfe von der Jacke flogen. Nachdem keiner dabei war, als das passiert sein soll, denken manche, dass diese Geschichte wohl auch unter Aufschneiderei verbucht werden kann. Ähnlich mag es mit der Erzählung sein, dass der Pfarrer einen der Jungen mal zwischen den Beinen einklemmte, um ihm den Hintern zu versohlen und dieser daraufhin dem Pfarrer ins Bein biss.
Ottensooser Chic
Zur Konfirmation gehört auch die passende Garderobe. Bei den Mädchen waren die neuen Kleider natürlich besonders wichtig – eines zum Vorstellungsgottesdienst und ein schwarzes zur Konfirmation. Wer wie Frieda Falk drei ältere Schwestern hatte, trug ein Kleid, das schon mehrmals jeweils nach der Körpergröße der jeweiligen Konfirmandin umgeändert worden war. Ihr Vorstellungskleid war allerdings neu und der Stoff kam in der Regel vom Haus Gramp in Lauf oder von Wagner in Hersbruck. Kleider wurden entweder von Frau Leykauf im Dorf genäht oder es kam eine Schneiderin ins Haus, die dann frühmorgens anfing und bis zum Abend blieb, bis das Kleid dann fertig war. Das nannte man, „auf die Ster kommen“. Modern waren zu dieser Zeit Kleider mit gesmoktem Oberteil und oft haben die Stoffe mächtig gekratzt. Stoff und ein Paar Schuhe gab es auf Bezugsschein.
Patendank und Geschenke
Eine wichtige Rolle bei der Konfirmation spielt der Pate oder die Patin, deren Amt es gewesen war, das Mädchen oder den Jungen bis zur Konfirmation zu begleiten. Von nun ab waren die Konfirmanden vollwertige Mitglieder der Kirchengemeinde. An der Konfirmation wurde dem Paten der Patendank ausgesprochen, das war ein Bogen Papier mit einem frommen Bild und vorgefertigten Zeilen, in die man die Namen einfügen konnte. Diesen überreichte man den Paten, und es war auch gleichzeitig die Einladung zum Konfirmationsfest. Wie sehr sich die Paten beim Geschenk „anstrengten“ war sehr unterschiedlich und grundsätzlich gab es in diesen Zeiten natürlich nicht viele Geschenke. Bei den Mädchen war es in der Regel das Kettchen mit einem Kreuzanhänger oder Sammeltassen, welche die Patin eventuell schon zu ihrer eignen Konfirmation bekommen hatte und nun weiter verschenkte. Bei den wenigen Geschenken waren Handtücher oder Taschentücher der Renner. Die Mädchen besuchten sich dann auch gegenseitig am Nachmittag des Konfirmationssonntags und bewunderten ihre Geschenktische.
Alle Befragten betonten, dass es zwar schwierige Zeiten waren, dass sie aber ihre Kindheit und Jugend als eine wunderbare Zeit in Erinnerung haben. Es gab keine großen Reichtümer, aber einen großen Zusammenhalt, und da Kinder zu dieser Zeit eher „mitliefen“ als dass sie ständig viel Beachtung gefunden hätten, wie das heute üblich ist, war die Konfirmation natürlich auch ein ganz großer Tag, an dem die Hauptperson wirklich einmal für einen Tag im Mittelpunkt stand.
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