Auf ein Wort
Am Aschermittwoch beginnt die Passionszeit. Mir kommt es aber so vor, als ob wir schon seit bald zwei Jahren in der Leidenszeit sind.
In der Passions-Zeit denken wir an den Leidensweg, den Jesus gehen musste. In der „Corona-Zeit“ seit Mitte März 2020 sehen wir das Leid, das viele Menschen durchmachen müssen. Wobei sehen nicht ganz stimmt. Sehr viel ist verborgen, nicht im Blick der Öffentlichkeit. Und das Leid durch die von Corona bestimmte Zeit hat eine sehr große Bandbreite. Das geht von Menschen, die unter einem schweren Krankheitsverlauf leiden oder gar daran gestorben sind und die Angehörigen unter dem Verlust leiden, bis hin zu wirtschaftlichen Nöten und Abrutschen in prekäre Situationen wie Obdachlosigkeit durch unser eingeschränktes öffentliches Leben. Dazwischen liegt eine große Bandbreite. Manche belächeln das Problem des anderen, weil die einen die Pandemie für eine normale Krankheit ansehen und unter den Einschränkungen leiden, und die anderen die Viren für hochgefährlich halten und Ängste davor haben.
Leider schwindet das gegenseitige Verständnis: die einen für die harten Maßnahmen, die tief in die persönliche Freiheit eingreifen, die anderen für den ausweichenden Umgang mit den Einschränkungen, die als Bedrohung wahrgenommen wird.
Es ist eine mehrjährige Passionszeit, in der wir stecken, in der wir an der Pandemie und auch an unserem Miteinander leiden. Wir kommen da nicht raus. Was wir tun können, ist ernst zu nehmen, dass wir in unserer menschlichen Situation von Gott wahrgenommen werden. Wir können ihm sagen, was uns hart bedrückt, wir können unser Leid klagen. Und Gott hat in Jesus gesehen, was es bedeutet als Mensch zu existieren. Er versteht uns. Davon gehe ich fest aus.
Was wir noch tun können: diese Zeit nicht zusätzlich mit gegenseitigem Misstrauen anzufüllen, sondern auch die Lage derjenigen zu sehen, die ganz anderer Meinung sind. Denn wir sind gemeinsam auf diesem Leidensweg, ob wir wollen oder nicht.
Ihr Albrecht Kessel, Pfarrer