Was ist eigentlich Taizé?

Seit einigen Jahren gibt es in unserer Gemeinde in der Adventszeit Taizéandachten. Wer diese besucht, kennt die bekannten Taizélieder, doch nicht jedermann ist bewusst, was sich hinter dem Begriff Taizé verbirgt, weshalb in diesem Kirchenboten eine kurze Vorstellung und Einführung erfolgen soll.

Die Anfänge von Taizé

Taizé ist zunächst ein kleiner Ort im Burgund in Frankreich, zwischen Dijon und Lyon gelegen.

Frère Roger als 90-Jähriger im Jahr 2005
Frère Roger als 90-Jähriger im Jahr 2005

Bekannt wurde dieser durch die Gründung einer Gemeinschaft durch Frère (=frz. Bruder) Roger Schütz. Schon im Jahr 1940 verließ er als 25-jähriger seine Heimat, die Schweiz, und beherbergte in Taizé Flüchtlinge, unter anderem auch Juden. Der Ort lag ganz nahe der Grenzlinie des von den Deutschen besetzten Nordteil Frankreichs und des freien südlichen Teils. Die Lebensweise war äußerst bescheiden, aus Rücksicht auf jüdische und agnostische Flüchtlinge betete er für sich alleine.

Vor einer drohenden Verhaftung musste er 1942 wieder in seine Heimat zurückkehren, wo er in Genf ein gemeinsames Leben mit den ersten Brüdern begründete. Diese kleine Gemeinschaft kehrte 1944 nach Taizé zurück , wo sie sich um Kriegswaisen kümmerten aber auch um deutsche Kriegsgefangene, eine Tatsache, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, wenn man bedenkt, wie verhasst die deutschen Besatzer zu dieser Zeit in Frankreich waren.

Immer mehr junge Männer schlossen sich der Gemeinschaft an, so dass Frère Roger 1952/53 die Regel für die Gemeinschaft aufstellte, welche sich an den traditionellen Mönchsgelübden orientiert.

Er selbst stammte aus einer evangelischen Familie, also einem Hintergrund, dem Mönchstraditionen eher unbekannt sind. Die Gemeinschaft, die er ins Leben rief, war von Anfang an ökumenisch ausgerichtet und fühlte sich den katholischen und orthodoxen Traditionen verbunden. Wie sich aus dieser Ausrichtung aber z.B. auch an der Tatsache, dass er deutsche Kriegsgefangene beherbergte, ersehen lässt, war das Thema seines Lebens die Versöhnung. Es war für ihn offensichtlich, dass es möglich sein müsste, die Einheit der Christen über die Konfessionen hinweg zu leben. Jegliche Gegenargumente erschienen ihm künstlich. Nach seiner Meinung fragen wir uns viel zu wenig, was wir bereit sind, für diese Einheit zu zahlen. Ökumene war für ihn keine intellektuelle Angelegenheit sondern eine Selbstverständlichkeit und es ist wohl auch diese Ausrichtung, die mit zur Faszination beiträgt, die Taizé auf seine Besucher ausübt.

Taize
Taize

Im August 2005 wurde er von einer geistig verwirrten Frau erstochen, was weltweit große Trauer verursachte. Seitdem ist der Deutsche Alois Löser neuer Prior der Gemeinschaft.

Treffpunkt der Jugend

Große Außenwirkung erlangte Taizé durch die ökumenischen Jugendtreffen ab den 60er Jahren, zu denen Tausende Besucher aller Nationalitäten und Konfessionen kamen.

Bei diesen Treffen steht der Austausch über biblische und traditionelle Themen im Vordergrund, wobei die Unterkunft und Verpflegung der Teilnehmer sehr einfach ist. Bald war das Dorf zu eng, so dass 1966 die Versöhnungskirche gebaut und mit 1400 Teilnehmern aus 30 Ländern eingeweiht wurde.

Wer nach Taizé kommt, dem steht ein riesiger Zeltplatz zur Verfügung, wo er ein eigenes Zelt aufschlagen oder mit dem Wohnwagen anreisen kann. Außerdem gibt es Baracken und Großraumzelte. Erwachsene und Familien sind extra untergebracht und müssen sich hierfür anmelden. Insgesamt gibt es nur wenige Regeln und die Tage sind durch die Essenszeiten und die gemeinsamen Gebete, Bibeleinführungen und Gesprächsgruppen strukturiert.

Für die vielfältigen Aufgaben können sich die Gäste als Helfer melden und manche Helfer übernehmen Aufgaben auch längerfristig. Auch die Mitwirkung im Chor ist für die Gäste möglich.

Taizé – Außenwirkung

Jeden Freitagabend findet das Gebet vor dem Kreuz statt, zu dem die Gottesdienstbesucher zum Kreuz gehen, um dort ihre Lasten abzulegen.

Am Samstagabend gibt es das auf das Ostergeschehen hinweisende Lichtergebet, wobei in der Mitte ein Licht entzündet wird, das von einem zum anderen weitergegeben wird, bis die ganze Kirche erhellt ist. Dies ist ein Sinnbild für das gegenseitige Geben und Empfangen und ein typisches Element aller Taizéandachten.

Vielen bekannt sind die charakteristischen Gesänge, die sehr kurz sind und immer wiederholt werden. Oft sind sie vierstimmig gesetzt oder werden als Kanon gesungen. Der Text ist oft eine einzelne Bibelstelle, oft in Latein oder auch in die verschiedensten Sprachen übersetzt. Viele dieser Gesänge haben Eingang in unser Gesangbuch gefunden, z.B. das bekannte Lied „Meine Hoffnung und meine Freude“.

Viele auch nichtgläubige Menschen kommen nach Taizé und lassen sich von der besonderen Atmosphäre ansprechen, ganz nach dem Satz von Frère Roger: „Wir wollen vor allem Menschen sein, die anderen zuhören. Wir sind keine Lehrmeister.“

Taizé will keine eigenständige Bewegung sein, sondern neue Horizonte für Kirchengemeinden eröffnen und Menschen ermutigen, sich in ihrer Gemeinde zu engagieren.

Über das Geschehen in Taizé hinaus unterhalten die Brüder auch Stationen in Kenia, Bangladesch, Brasilien, dem Senegal und in Korea.

Jährlich gibt es ein Treffen in einer anderen europäischen Stadt, so wird das nächste europäische Jugendtreffen vom 28.12.17 – 01.01.18 in Basel stattfinden.


So habe ich Taizé erlebt

Bericht von Jürgen Lassauer

Seit einigen Jahren mache ich mich im Frühjahr auf Pilgerreise auf dem Jakobsweg, bisher überwiegend in Deutschland, doch im Jahr 2017 war mein Ziel der kleine Ort Taizé.

Der Pilger in Taizé angekommen
Der Pilger in Taizé angekommen

Taizé – Pilgerwege des Vertrauens auf der Erde

Seit Tagen begleitet mich auf meinem Pilgerweg herrliches Frühlingswetter und die letzten 35 km war ich auf einer ehemaligen Bahntrasse unterwegs, welche mich wie auf einer Autobahn nach Taizé brachte.

Als ich nun am Nachmittag den kleinen Hügel zum Dorf erklomm, erfüllte sich für mich der langehegte Wunsch zu den Brüdern nach Taizé zu kommen, um dort ein paar Tage zu verbringen.

Auf dem Weg dorthin hatte ich ein paar Lektionen zu lernen und auch in Taizé ging der Lernprozess weiter.

Mein Leben war bisher geprägt von einem Willen, alles was ich angepackt hatte ohne wenn und aber durchzuführen und das möglichst schnell auf geradem Weg.

Nun war der Pilgerweg aber stets eine Aneinanderreihung von kurvigen, bergigen, aber auch schönen Pfaden und das kostet Zeit.

Da musste ich mich einüben und vor allem auch die Tatsache, dass mein Maß für den Weg einfach nicht mehr war, als 5 km in der Stunde.

Lektion 2, welche zu lernen war, betraf meinen Rucksack, der nicht sonderlich groß war, doch ich wollte für alle Unwägbarkeiten vorgesorgt haben und das Gewicht stieg über 10 kg. Das erinnerte mich auf dem Weg ständig mit Rückenschmerzen und einer Last die mich so richtig erdete, an unseren Überfluss, den wir ständig mit uns herum schleppen.

Lektion 3 zeigte mir auf, dass ich lernen musste mit mir allein zurecht zu kommen, da der Weg oft durch einsame Gegenden führte.

Lektion 4 zeigte mir auf, dass es auf dem Weg gute Erlebnisse gibt, die man so nicht planen kann, wie zum Beispiel, die Übernachtungen bei netten Menschen, die mir als Pilger Herberge und gutes Essen boten. So hatte ich bereits etwas Ballast aus meinem Kopf und Gepäck abgeworfen, als ich nun durch den soliden hölzernen Glockenturm zur Gemeinschaft angelangte.

Glockenturm am Eingang des Geländes
Glockenturm am Eingang des Geländes

Es herrschte reges Treiben auf dem freien Platz, vor allem junge Menschen beherrschten das Bild.

Ich stellte fest, dass die vielen Gebäude und Anlagen auf jede Art von Komfort verzichteten und nur das Nötigste zum Leben geboten wurde.

Gerade diese Schlichtheit war es, die den Besucher nicht ablenkte vom Gebet und den Gesprächen in Arbeitsgruppen, welche jeden Morgen angeboten wurden.

Nun musste ich aber erst mal ankommen und im Gebäude mit dem schlichten Namen „Casa“ mich als Pilger zu erkennen geben, das ging aber sehr strukturiert vonstatten.

Im „La Morada“ gegenüber befindet sich die Rezeption, wo der zentrale Anlaufpunkt für die Besucher ist, welche Fragen oder Probleme haben.

Das Management hatten vor allem Jugendliche, die mir beim „Adults Welcome Team“ (Begrüßungsteam für Erwachsene) die Gemeinschaft mit dem Tagesablauf erklärten.

Spüldienst
Spüldienst

Da bis zum Wochenende ca. 2000 junge Menschen anreisen sollten, wurde mir die Übernachtung auf dem Zeltplatz empfohlen, wo schon stabile kleine Zweipersonenzelte mit Holzrost und Matratze bereit standen. Ich bekam nun von einer netten jungen Frau die Schlüssel für ein bestimmtes Zelt und wurde gebeten für die vier Nächte etwas zu spenden.

Als Orientierung wurden mir ca. 75 Euro benannt, was mir als Pilger angemessen erschien. Anschließend empfing ich die Essensmarken für die folgenden Tage und dann war auch schon Zeit für ein Erfrischungsgetränk an den verschiedenen Ausgabestellen.

Die ganze Organisation war straff von Jugendlichen geleitet, Unterstützung kam von den wenigen Brüdern.

In Taizé gibt es verschiedene Tagungsbaracken, Tagungszelte im Sommer, wo auch gegessen wird. Als Unterkunft dienen kleine Holzhäuschen für zwei bis mehrere Personen und die diversen Zeltplätze. Im Kiosk „Oyak“ wird alles zum Selbstkostenpreis verkauft, der Andrang war dort immer sehr groß. Das Essen wird in dem großen Küchenbereich selbst zubereitet und ich durfte in der dish washing area das Geschirr abspülen.

Es hat mich schon ein wenig an meine Bundeswehrzeit erinnert, doch war das Miteinander und der Umgangston in Taizé Gott sei Dank ein sehr positiver.

Gleich wurde ich von einer drahtigen graumelierten Christa aus München überschwänglich begrüßt, da sie mir an Hand meiner teilgebräunten Beine die Pilgerschaft ansah.

Pilger sind eine verschworene Gemeinschaft, die viel zu erzählen haben.

Während meines Aufenthalts begrüßte mich jeder Morgen mit Sonnenschein und blauem Himmel, ich war glücklich und genoss die Ruhe und dass ich nach dem vielen Laufen nun für ein paar Tage einen Platz hatte, wo ich mich geborgen fühlte.

Jeden Morgen nach Gebet und Frühstück haben die Brüder Bibelarbeit angeboten,die von Jugendlichen in die verschiedenen Sprachen simultan übersetzt wurden. In den Arbeitsgruppen waren die Erwachsenen wieder beieinander, aber ein kleiner Haufen im Vergleich zu den vielen Jugendlichen.

Für mich war der Bruder sehr authentisch und er achtete bei der Übersetzung streng darauf, dass die Botschaft nicht verwaschen wurde.

Fakt bleibt aber in Taizé, dass die Jugend dominiert und die Oldies gerne eingeladen sind, aber in der Kirche der Jugend genug Platz lassen sollten.

Zum Abendessen um 19:00 Uhr versammeln sich alle Personen, die in diesem Zeltbereich zugewiesen worden sind, vor dem großen Zelt (wie Bierzelt) und warten auf die Betreuerin, welche auf einem Hügel stehend in verschieden Sprachen alle Menschen begrüßt und den Ablauf bekannt gibt.

Blick über das Gelände mit den Zelten im Hintergrund
Blick über das Gelände mit den Zelten im Hintergrund

Dann werden Freiwillige für den Abwasch rekrutiert, das Angebot nahm ich gerne an und kam in den Genuss als erster Essen fassen zu können. Der Zeitplan war knapp, da um 20:30 Uhr schon Gottesdienst war. Ich konnte sogleich wieder eine Lektion lernen, nämlich dass eine Schöpfkelle Gemüse und ein Fischstäbchen als Abendessen ausreicht, obwohl ich erst ungläubig auf die Miniportion geblickt hatte.

Der Abendgottesdienst beginnt um 20:30 Uhr in der Versöhnungskirche. Es ist eine Multifunktionshalle, die sehr schlicht gehalten ist und auf den ersten Blick für mich wie eine Großmarkthalle wirkte. Flexible Wände können den Raum beliebig vergrößern und es ist schon sehr beeindruckend über die Köpfe von ca. 1000 Jugendlichen zu blicken, die beten und singen und nach dem Sinn ihres Lebens suchen.

Der Gottesdienst ist ausgefüllt mit den sehr prägnanten Taizéliedern, die lange in immerwährender Wiederholung gesungen werden. Das schafft eine innere Ruhe und ich fühle mich ergriffen an dem heiligen Ort. Der ruhelose Geist wird stiller und die gemeinsamen Gebete sind einerseits so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte, auf der anderen Seite erfüllt von Gesängen von tausenden Menschen.

Die Handygesellschaft, in der wir leben, merkt man nur in der Kirche, wo als einziger Platz Steckdosen zum Laden der Telefone zu finden sind.

Sehr angenehm ist der Tagesablauf, wo die Mobiltelefone bei den jungen Menschen keine große Rolle spielen.

Mich persönlich hat diese meditative Form des Gottesdienstes mit vielen ansprechenden Liedern sehr in meinem Herzen angerührt und ruhig und zufrieden gemacht.

Jeden Samstag wird das Lichterfest gefeiert, es entzünden alle Menschen eine kleine Kerze, welche am Eingang ausgegeben wurde und es wird sehr feierlich.

Anschließend beten noch viele junge Menschen vor dem Kreuz und besprechen ihre Probleme mit den Brüdern, die in der großen Halle verteilt auf ihren Stühlen sitzen.

Faszinierend zu sehen für mich als Alten ist es, mit welcher Ernsthaftigkeit die Jugend auf der Suche nach dem richtigen Weg ist.

Ein Zeichen der Zuversicht waren die Tage in Taizé. Beeindruckend war auch die Ansprache von Bruder Alois eines Abends live aus Wittenberg, anlässlich des Reformationsjubiläums, der immer wieder betonte, die Kirchen sollen sich ohne Bedingungen zusammenschließen.

Dem Gedanken kann ich mich vorbehaltlos anschließen.

Blick in den Gottesdienstraum
Blick in den Gottesdienstraum

Fotos zum Bericht: Lassauer