Reisebericht von Ute Pürkel für die Hersbrucker Zeitung
Wantoat – vielen Menschen im Dekanat Hersbruck ist dieser Name eines Gebiets in Papua-Neuguinea ein Begriff, besteht die Partnerschaft zwischen den beiden Dekanaten doch schon seit fast einem Vierteljahrhundert. Für die Delegation, die vom 3.5.-28.5.2000 die Partner in Papua-Neuguinea besuchte, wurde dieses Wissen um die Partnerschaft mit Leben erfüllt und Namen bekamen Gesichter. Zur Delegation gehörten: Dekan Hartmut Brunner und Jochen Kretschmer aus Hersbruck, Dekanatsmissionspfarrer Andreas Heindl aus Hartmannshof, Hermann Pickel aus Velden, Elfriede Deinzer und Ute Pürkel aus Ottensoos.
Land auf der anderen Seite der Erde
Die Insel Papua-Neuguinea liegt nördlich von Australien, also genau auf der anderen Seite der Erdkugel. Der Flug über Singapur dauert ohne die Zwischenaufenthalte über zwanzig Stunden. Nicht nur wegen der Flugdauer spürt man, dass man in eine ganz entgegengesetzte Kultur eintaucht, sondern auch bei den ersten Schritten auf Neuguineaboden. Der Flughafen von Port Moresby, der Hauptstadt von Papua Neuguinea wirkt sehr provinziell. Nur zweimal in der Woche wird er von Singapur aus angeflogen und man hat das Gefühl, am Ende der Welt angekommen zu sein. Die Hauptstadt selbst ist nur ein Viertel so groß wie Nürnberg und liegt verstreut über eine grüne Hügellandschaft. Hochhäuser gibt es nur sehr wenige, auch wegen der Erbebengefahr. Überhaupt ist das Land nicht sehr dicht besiedelt: Auf einer etwa doppelt so großen Fläche wie der Bundesrepublik leben lediglich 3,4 Millionen Menschen (Deutschland hat über 80 Millionen Bürger). Die Menschen leben fast ausschließlich von der Landwirtschaft, wobei das tropische Klima mit seinem Wechsel von Regen- und Trockenzeit ganzjähriges Pflanzen und Ernten ermöglicht. Die Früchte wie Taro, Süßkartoffeln, Kochbananen u.a. müssen dem Boden in schwerer Handarbeit abgerungen werden, garantieren jedoch eine ausreichende Ernährung, ein Umstand, der Papua-Neuguinea positiv von vielen anderen Entwicklungsländern unterscheidet. Auch der Bevölkerungsaufbau ist diametral verschieden zu unserem. Während bei uns die ältere Generation den Großteil der Bevölkerung ausmacht, überwiegen in PNG die Kinder. Dass dies für die Zukunft Probleme birgt, wurde erkannt, und die Regierung fördert Programme zur Geburtenkontrolle, wie in der Gesundheitsstation in Wantoat zu erfahren war.
Stationen der Reise
Neben dem Besuch in Wantoat standen auch noch andere Ziele auf dem Reiseplan. So begann und endete die Reise in Bundun, einem Konferenzzentrum, dessen Funktion etwa mit Alexandersbad oder Hesselberg zu vergleichen ist. Der hochtrabende Name Konferenzzentrum darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bundun aus Bambushütten besteht, eingebettet in eine wunderbare Vegetation aus buschhohen Hibiskus, Weihnachtssternen Bougainvillea und natürlich Palmen und Bananenstauden. Hier traf die Delegation mit den Vertreter/innen Wantoats zusammen und tauschte erste Erfahrungen aus, wie die Partnerschaft von beiden Seiten erlebt wurde. Am Ende wurden die gemeinsamen Gespräche und Diskussionen hier in der Ausformulierung eines Partnerschaftsvertrages
gebündelt. Außerdem stand noch der Besuch der Kirchenleitung in Lae und der Pfarrerausbildungsstätte in Logaweng an. Hier unterrichtet übrigens Kedabing Lukas, der in Deutschland studierte und in mehreren Gemeinden im Dekanat predigte.
Was ist eigentlich Wantoat?
Im Mittelpunkt der Reise stand aber natürlich der Besuch in Wantoat, eine Bergregion, die sich über ein wesentlich größeres Gebiet als etwa das Dekanat Hersbruck erstreckt und entweder mit dem Flugzeug oder mit dem Auto auf einer sehr schlechten Straße zu erreichen ist. Diese Straße führt etwa 100 Kilometer vom Highway bis zum Zentrum und kann nur mit Allradantrieb befahren werden. Sie verläuft teilweise im Flussbett, überquert Flussläufe, deren Durchfahrbarkeit bei jeder Fahrt neu überprüft wird, wobei eventuell erst mit Steinen eine neue Furt gebaut werden muss. Außerdem sind manche steilen, lehmigen Abschnitte so vom tropischen Regen aufgeweicht, dass sogar der Allrad-Lastwagen feststeckt und freigeschaufelt werden muss.
Wantoat selber besteht aus acht Großgemeinden, die selbst wiederum aus mehreren kleineren Dörfern bestehen. Das Zentrum bildet Wantoat-Station, wo sich die Regierungsstation, der Gesundheitscenter, die Schule mit den Klassen 1-6, ein Laden und der Flugzeuglandeplatz befinden. Etwa einen Kilometer von hier entfernt liegt das kirchliche Zentrum Kongaim, wo Kurse für Frauen oder zur Alphabetisierung gehalten werden. Hier steht auch das leerstehende Missionarshaus, das der Reisegruppe die überwiegende Zeit als Unterkunft diente.
Kultur und Gastfreundschaft
Beim Besuch der einzelnen Gemeinden wurden die Gäste jeweils mit einem traditionellen Singsing begrüßt. Dabei schmücken sich die Akteure fantasievoll mit den verschiedensten Materialien, die ihnen der Busch liefert und singen ihre ursprünglichen Melodien, allerdings mit christlichen Texten, begleitet vom Rhythmus der Kundutrommeln. Mit Blumenketten behängt und Blüten beworfen, werden die Gäste von den Sänger/innen durch das Spalier der Dorfbewohner zum Dorfplatz geleitet, wo sich ein „Drama“ anschließt. Hierbei handelt es sich um eine typisch neuguineische Art, eine Botschaft mithilfe eines oder mehrerer Gegenstände, eingebunden in ein kurzes Anspiel, bildlich zu vermitteln. Darauf folgt die Vorstellungsrunde, der Austausch von Geschenken, ein Gottesdienst, ein üppiges Mahl und natürlich das Gespräch über die Partnerschaft. Zum Schluss möchte möglichst jeder noch die Hände zum Abschied schütteln, überhaupt ist die Freundlichkeit der Menschen eigentlich unbeschreiblich.
Probleme in ländlichen und städtischen Gebieten
Man könnte also fast meinen, in einem Garten Eden gelandet zu sein. Doch natürlich ist dem nicht so, und die Einheimischen können ihre Probleme sehr genau benennen. Die Leiterin der Frauenarbeit nennt die Scheu und die Schüchternheit, das mangelnde Selbstbewusstsein der Frauen als ihr Hauptproblem, gegen das sie mit ihrer Arbeit anzugehen versucht. Viele Frauen kennen nur den Wechsel zwischen harter Arbeit und Schlaf, und oft ist das Betelnusskauen ihre einzige Freude. Alphabetisierungskurse und Kurse im Nähen, Hygiene und Bibelstudium sollen den Horizont der Frauen erweitern und ihr Selbstvertrauen stärken. Viele der Erwachsenen sind Analphabeten oder haben das Gelernte wieder vergessen, weil sie es im täglichen Leben nicht anwenden. Bildung hat zwar heute einen höheren Stellenwert, aber immer noch gehen in Wantoat 25% der Kinder nicht zur Schule, weil die Eltern das Schulgeld nicht bezahlen können, der Schulweg zu weit ist oder man ganz einfach den Sinn nicht einsehen kann, weil eben auch viele mit Bildung keinen Arbeitsplatz finden.
Von allen Seiten wird die mangelhafte Infrastruktur als größtes Problem bezeichnet, so erzählt die Leiterin des Gesundheitscenters, dass sie oft Menschen sterben sehen muss, denen durchaus im Krankenhaus geholfen werden könnte, doch ist ein Transport beim Zustand der Straße nicht zumutbar und für einen Flug fehlen die Mittel. Ebenso sind einem bescheidenen Fortschritt durch Handel wegen dieser Straße Grenzen gesetzt. auch durch den Mangel an Kommunikationsmöglichkeiten, denn es gibt in Wantoat nur zwei oder drei Funktelefone. Wir Europäer sehen natürlich auch den Schutz, den diese Situation vor Einflüssen wie etwa dem Fernsehen gibt. Gerade die Verlockung dieser Einflüsse, aber auch die Perspektivlosigkeit verleitet viele Menschen in die Stadt zu ziehen. Hier herrschen all jene Probleme, wie wir sie aus allen Städten ‚speziell der armen Länder kennen: Arbeitslosigkeit (in Port Moresby 75%), Alkoholmissbrauch, steigende Kriminalität und Entwurzelung. Die Allgegenwart privater Sicherheitsdienste in Geschäften und Banken, aber auch vergitterte Fensterscheiben und Schließanlagen machen dies plastisch deutlich.
Sozialstruktur und christlicher Glaube
Als weiteres Problem in finanzieller Hinsicht kann auch die Wantok-Sozialstruktur gesehen werden, welche eine absolute Unterstützung der Sippe fordert. Dies bedeutet, dass Einheimische, die es zu Geld gebracht haben, in jedem Fall notleidende Verwandte unterstützen müssen, was natürlich nicht der Geldvermehrung dienlich ist. Dies geschieht auch dann, wenn es sich nicht um eigenes Geld handelt, sondern zum Beispiel um Geld, das man lediglich verwaltet. Häufig wird bei Stellenbesetzungen auch nicht der Fähigste ausgewählt, sondern eben einer aus der eigenen Sippe. Diese Verhaltensweise hat jedoch auch eine positive Kehrseite, die nicht hoch genug einzuschätzen ist und modernen Gesellschaften den Spiegel vorhält. Einsamkeit oder psychische Störungen sind in solch archaischen Gesellschaften unbekannt, ebenso die Ausgrenzung alter oder behinderter Menschen. In der Regel sieht man die Menschen immer in Gruppen zusammen und zwar entweder in Frauen- oder in Männergruppen. Das Auftreten als Ehepaar ist nicht üblich. Der christliche Glaube wird ganz selbstverständlich gelebt, nicht im Sinne eines ethischen Perfektionismus sondern als elementare Lebensgrundlage. Die Kirche hat eine zentrale Bedeutung für die Menschen, weil sie der Ort ist, an dem man sich versammelt, gemeinsam feiert, aber auch Probleme bespricht.
Partnerschaft gestalten
Die Zeit der Reisegruppe in Wantoat war natürlich zu kurz, um einen umfassenden Eindruck zu gewinnen, doch waren beide Seiten bemüht, aufeinander zu hören und als Frucht dieser vielen Diskussionen einen Partnerschaftsvertrag auszuhandeln, der die Zukunft der Partnerschaft sichern und regeln soll. Darin wird zunächst das Fundament – der gemeinsame, verbindende Glaube – betont, der Austausch von Informationen und Delegationen vereinbart, aber auch sehr offen und konkret die finanzielle Unterstützung von Seiten des Dekanats Hersbruck festgelegt. In Zukunft soll ein gewähltes Komitee, in dem alle Gemeinden aber auch Arbeitsfelder (z.B. Jugend- oder Frauenarbeit) vertreten sind, über die zu unterstützenden Projekte entscheiden. Hierdurch soll die Selbstverantwortung der Partner in PNG gestärkt werden.
Insgesamt haben alle Teilnehmer der Delegation die Reise als erfolgreich und konstruktiv erlebt, ganz abgesehen von der persönlichen Bereicherung, die jeder einzelne durch die Bewusstseinserweiterung, die eine solche Reise mit sich bringt, erfahren hat.
Reisebericht von Ute Pürkel für den Dekanats-Kirchenboten
Partnerschaft braucht Begegnung – Ein Bericht der Dekanatsdelegation über ihre Reise nach Wantoat
Für jedes Kirchenmitglied, das sich dem Geschehen im Dekanat verbunden weiß, ist Wantoat ein Begriff und man muss vielleicht erst hinfahren, um zu verstehen, wie fremd und grundlegend verschieden dieses Dekanat Wantoat doch von unserem ist.
Diese Erfahrung konnten wir, die Delegation, bestehend aus Dekan Hartmut Brunner und Jochen Kretschmer aus Hersbruck, Missionspfarrer des Dekanats Andreas Heindl aus Hartmannshof, Hermann Pickel aus Velden, Elfriede Deinzer und Ute Pürkel aus Ottensoos, während unserer Reise nach Papua Neuguinea vom 3.5.-28.5.2000 machen.
In der Gedächtniskirche in Finschhafen ist 1886 der erste Missionar in Papua Neu Guinea angekommen: Johann Flierl aus Buchlohe.
In der Kirche sind Tafeln angebracht, auf denen vermerkt ist, wann Missionare in die einzelnen Gebiete kamen. Kedabing Lukas und ein Student zeigen auf die Tafel von Wantoat.
Neben Besuchen bei der Kirchenleitung in Lae oder in der Ausbildungsstätte für Pfarrer in Logaweng stand natürlich der Besuch in Wantoat im Mittelpunkt. In Logaweng arbeitet übrigens Kedabing Lukas, der in Deutschland studierte und auch in unserem Dekanat mehrmals predigte, jetzt als Lehrer.
Zehn Tage waren ausschließlich dem Dekanat Wantoat gewidmet, wobei schon allein die Anfahrt von Lae einen ganzen Tag in Anspruch nimmt. Der Zustand der Straße erlaubt nur eine geringe Geschwindigkeit und ist ohne Allradantrieb nicht zu meistern. Die Straße verläuft streckenweise im Flussbett, muss manchmal von einem kleinen Erdrutsch freigeschaufelt werden, überquert Flussläufe, deren Durchfahrbarkeit bei jeder Fahrt neu überprüft wird, wobei eventuell erst mit Steinen eine neue Furt gebaut werden muss. Während der ganzen Fahrt jubelten uns am Wegrand immer wieder Kinder zu.
Dass diese Straße, die Wantoat natürlich vor unliebsarnen Einflüssen schützt – es gibt dort weder Telefon noch Fernsehen – und in seiner Ursprünglichkeit bewahrt, andererseits auch das Hauptproblem darstellt, liegt auf der Hand, wenn man beispielsweise an die Problematik des Krankentransports oder an die Vermarktung landwirtschaftlicher Güter denkt.
In den folgenden Tagen besuchten wir einige der acht Großgemeinden; nur diejenigen, die zu sehr abseits liegen, schickten Vertreter zu uns. Um zum Beispiel nach Awara, einer der Großgemeinden zu gelangen, müsste man vom Zentrum Wantoats 9 1/2 Stunden laufen.
In allen Gemeinden wurden wir mit einem traditionellen Singsing empfangen. Dabei war der Dorfeingang zunächst mit einer Wand aus grünen Blättern versperrt, hinter der sich die Wantoats aufstellten. Nach einem Gebet auf beiden Seiten wurde ein Durchgang freigemacht und jeder von uns bekam eine Blumenkette umgehängt. Der Zug vor uns setzte sich mit Gesang, begleitet von Gitarren oder Trommeln, in Richtung Dorfplatz in Bewegung und wir schlossen uns an. Den Weg säumten Bewohner dieses und benachbarter Dörfer und Mädchen bewarfen uns mit Blüten.
Auf dem Dorfplatz war für uns ein schattiger Platz reserviert, von dem aus wir noch ein „Drama“ zu sehen bekamen, eine Art Anspiel, das anschaulich eine Botschaft vermitteln will. Dem schloss sich eine Vorstellungsrunde und eine Aussprache über die Partnerschaft an, außerdem ein Gottesdienst, der Austausch von Geschenken und natürlich ein üppiges Mahl. Außerdem schüttelten wir jedes Mal unzählige Hände und schauten in strahlende, manchmal aber auch verschämte Gesichter.
Bei all diesen Begegnungen waren wir darauf bedacht, aufmerksame Zuhörer zu sein, wenn die Menschen von ihrem Alltag, aber auch von ihren Problemen und Nöten berichteten. Diese vielen Gespräche mündeten am Ende in die Formulierung eines Partnerschaftsvertrages ein, der die Belange der Partnerschaft in Zukunft regeln soll.
Bisher wurden von Hersbruck ausschließlich kirchliche Ausbildungsstätten unterstützt, um dem damals herrschenden Pfarrermangel zu begegnen. Dies soll in gewissem Umfang auch weiterhin geschehen, allerdings soll der Schwerpunkt auf der Förderung der kirchlichen Arbeit direkt vor Ort liegen.
Wir sind in Wantoat sehr lebendigem und gelebtem Christentum begegnet und die Verantwortlichen dort möchten den Gemeindeaufbau mit unserer finanziellen Unterstützung vorantreiben, indem sie beispielsweise Jugendleiter ausbilden lassen oder in möglichst vielen Gemeinden ein Kirchengebäude errichten, das dort auch die Funktion eines Versammlungsraums hat.