Kirchenführer Seite 6

Marienaltar

Wenn der Marienaltar (4) in den Fastenzeiten (Advent und Passion) geschlossen ist, sind sechs Bildtafeln aus der Hans-von-Kulmbach-Schule (um 1510) zu sehen. An den Festtagen zeigt der geöffnete Altar Schnitzwerk aus der Veit-Stoß-Schule (um 1520). Durch seine vorherrschenden Farben, Blau und Gold, und durch seine plastische Gestalt hebt sich die „Festtagsseite“ mit ihren Christusbildern von der geschlossenen Seite und ihren Themen aus dem Marienleben ab.

Im Mittelschrein hält Maria das Christuskind auf ihrem Arm. Sie steht auf einem Halbmond, der wie ein Gesicht gestaltet ist. Zwei Engel halten die Mondsichel und zwei tragen ihre Krone. Die Vorstellung der „Strahlenkranzmadonna“ geht auf die Vision der himmlischen Frau von Offenbarung 12 zurück und ist ein Sinnbild für die Kirche. Der Seher Johannes macht mit dieser Symbolfigur den Gemeinden, die unter der Verfolgung Kaiser Neros litten, Mut: Christus hat schon den Sieg über die widergöttlichen Mächte errungen und wird bald die Kirche aus ihrer Not erlösen.

Auf der linken Flügeltüre ist oben die Geburt Jesu dargestellt (siehe Seite 6). Darunter huldigen die Weisen aus dem Morgenland dem „König der Könige“.

Die rechte Flügeltüre zeigt mit ihren beiden Relieftafeln, daß Jesus Jude war. Oben ist die Beschneidung Christi abgebildet, die nach jüdischem Brauch zusammen mit der Namensgebung am achten Tag nach der Geburt vorgenommen wird. Unten ist die „Darstellung im Tempel“ zu sehen. Maria löst ihren Sohn, der wie alle Erstgeborenen als Gottes Eigentum gilt, mit einer Opfertaube aus. Die Frau links trägt das Tier in einem Korb. Der alte Priester Simeon erkennt in Jesus den verheißenen Messias und betet:

„Herr, nun läßt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du _gesagt hast, denn meine Augen haben den Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden, und zum Preis deines Volkes Israel“ (Lukas 2, 29-32).

Die sechs Bildtafeln bei geschlossenem Altar zeigen von links nach rechts:

Geburt Marias – Tempelgang Mariens – Anna und Joachim Geburt

Jesu – Maria im Sterbebett – Maria und Elisabeth.

Oben links: Die Geburt Marias ist in einer bürgerlichen Stube dargestellt. Anna beobachtet vom Bett aus, wie ihre Tochter Maria in einem Zuber von der Hebamme gebadet wird.

Mitte oben: Die Eltern haben ihre zwölfjährige Tochter – einer Legende nach – in den Tempel gebracht, damit Maria hier bis zu ihrer Eheschließung ein tugendhaftes Leben führt. Anna kniet auf der untersten Stufe der Treppe und begleitet so, mit gefalteten Händen, ihre Tochter. Dorthin weisen auch die Hände Joachims, der mit zwei anderen Männern redet. Auf der obersten der zwölf Stufen steht der Hohepriester im Ornat. Seine rechte Hand ist zum Segensgruß erhoben. Maria schreitet zum Altar hinauf. Ihr Blick aber geht am Priester vorbei durch das offene Fenster in den Himmel.

Unten links: Jesus wird in einem Stall geboren. Das Bild befindet sich genau unter dem von Marias Geburt. Die beiden Szenen entsprechen sich: Nun sieht Maria vom Bett aus zu, wie Jesus in einem (Futter-)Trog gebadet wird. Im Hintergrund schöpft Josef dafür mit einem Krug heißes Wasser aus dem Siedkessel.

Mitte unten: Maria auf dem Sterbebett (siehe nächste Seite).

Die vier Bildtafeln, die sich über dem Mittelschrein schließen, ergeben in dieser Betrachtungsfolge vier wichtige Stationen im „Lebenslauf“ Marias. Dabei entsprechen sich die Bilder übereinander (links: die beiden Geburtsszenen; Mitte: Gang in den jüdischen Tempel; Tod im Kreis der christlichen Apostel).

Auf den Bildern des rechten Standflügels treffen jeweils zwei Menschen zusammen. Sie erzählen sich, daß sie ein Kind erwarten. Oben rechts: begegnen sich Anna und Joachim an der „Goldenen Pforte“ von Jerusalem (legendär).

Unten rechts: Ihr Weg hat die schwangere Maria über das Gebirge zu der ebenfalls schwangeren Elisabeth geführt. Die beiden blicken sich innig an, begrüßen sich und geben sich die Hände. Maria legt ihre rechte Hand auf Elisabeths Bauch und spürt, wie sich darin ihr Kind (d. i. Johannes der Täufer) vor Freude bewegt (vgl. Lukas 1, 39-56).

Das Fehlen des linken Standflügels könnte sich so erklären: Der Altar wurde beim Einzug der Seitenempore (1733) in dieser Ecke aufgestellt. Er tauschte seinen Platz mit dem Sakramentshaus. Dabei wurde dem Marienaltar ein Standflügel abgenommen. Vermutlich zeigte er die „Verkündigung“ an Maria (vgl. dazu Lukas 1, 26-38) und die (legendäre) Aufnahme Marias in den Himmel.