Auf ein Wort

Ja, auch beim Anblick unseres Gemeindebriefes gilt in diesem Jahr: Luther, Luther, und nochmals Luther. Dabei feiern wir ja heuer „500 Jahre Reformation“. Aber es geht ganz schnell, dass daraus das Lutherjahr wird. Denn auch wir Evangelische sind nicht vor dem Personenkult gefeit – oder auch geveit, wenn ich an unseren Schutzpatron der Kirche denke. Auch so eine Person, um den es einen Kult gibt. Aber wir mögen eben Personen, auf die wir unsere Hoffnungen und Sehnsüchte setzen können. Da zeigt die etwas abstrakte Reformation Gesicht, da hoffen wir auf gesunde rote Bäckchen. So wie der Martin Luther vor dem Reichstag stand und Rückgrat vor dem Kaiser und der ganzen Welt gezeigt hat, das ist doch stark. Der stand für seine Sache ein. Der ließ sich nicht den Mund verbieten, der blieb eisenhart. Das war heldenhaft damals.

So gerät manches Mal der evangelische Blick auf ihn, so wird er gerne in den Himmel gehoben, obwohl er ja auch nur ein Mensch war. Das kann und soll nicht verschwiegen werden. Aber es ist nicht so einfach, sich ihm tatsächlich zu nähern. Da muss erst die trutzige Mauer des Burgmuseums durchbrochen werden, in das wir ihn gesperrt haben. Aber wenn wir dann näher hinschauen, merken wir, dass auch Luther nur ein Mensch war. Ein Mensch mit der Sehnsucht nach dem, was für uns selbstverständlich ist: dass Gott uns liebt, ohne Wenn und Aber. Er musste mit sich und der Welt darum ringen, bevor er das Tor zur Freiheit aufstoßen konnte. Dabei behielt er aber seine Macken: dass er auch vor Wut toben konnte, dass er sein Vorurteile pflegte und dass er seinem Judenhass freien Lauf lies.

Das gilt es auch zu sehen und nicht im Museumsarchiv verschwinden zu lassen. Aber es schmälert für mich nicht die Leistung Luthers, in Christus den verzeihenden, liebenden und annehmenden Gott wiederzufinden. So kann ich für mich entdecken, was es für mein Leben bedeutet, dass mich Gott liebt – im 500. Reformationsjahr.

Ihr Albrecht Kessel, Pfarrer