Pfingsten

Pfingsten – das unbekannte Fest

Die Himmelfahrt endet damit, dass die Jünger verheißen bekommen, dass ihnen ein Tröster gesandt wird, eine neue Kraft aus der Höhe. Dies geschieht am Pfingstfest, das jahreszeitlich nahe beim Höhepunkt des Jahres, bei den Tagen mit den längsten Sonnenstunden liegt. Die ganze Natur strotzt vor Leben und Fruchtbarkeit und ist somit auch ein Sinnbild für diese Kraftquelle Gottes. Und doch ist das Pfingstfest, ebenso wie das folgende Trinitatisfest, im Lauf des Kirchenjahres das Fest, mit dem selbst oft kirchliche Mitarbeiter am wenigsten anfangen können. Einige Gedanken sollen ins Bewusstsein bringen, dass Pfingsten keineswegs hinter Weihnachten oder Ostern zurücksteht.

Ruach – die Geistin?

Wenn wir von Geist reden, schwingt auch immer irgendwie der Gedanke an ein Gespenst mit. In der Ursprache steht für den Begriff Heiliger Geist „ruach“, was mit Wind, Hauch, Atem zu übersetzen ist.

Dies zeigt ein ganz elementares Bild. So wie unser Atem die Grundbedingung unseres Lebens ist, so ist es auch der Geist. In unserem Atem, in der Luft, im Geist „leben, weben und sind wir“.

Das hebräische „ruach“ ist ein weibliches Wort, während es in der deutschen Übersetzung eben der Heilige Geist heißt. Wenn wir dann manchmal in Liedern oder Gottesdiensten von der Heiligen Geistkraft lesen, geht es nicht darum, feministische Positionen durchzudrücken, sondern darum, uns bewusst zu machen, dass es sich in der Ursprache um einen weiblichen Begriff handelt, in dem eben auch die weichen, liebevollen, gütigen, zärtlichen, so genannten „weiblichen“ Aspekte beinhaltet sind.

Das typische Pfingstsymbol ist die Taube – bei den Tauben teilen sich Männchen und Weibchen übrigens die Brutpflege.

Wirkung des Geistes

Der Heilige Geist ist lebensbejahend. Augenblicke der Freude, der Freundlichkeit und Liebe sind die Früchte dieses Gottesgeistes. Wenn Menschen gestärkt werden, sich dem Einfluss negativer Kräfte zu widersetzen; wenn neue positive und kreative Ideen entstehen; wenn Menschen ein Licht aufgeht und sie einen Vers der Bibel ganz neu für sich verstehen – all dies sind Situationen, in denen wir getrost von der Gegenwart des Heiligen Geistes ausgehen können.

Er bewirkt, dass es gut läuft in unseren Beziehungen, dass in Arbeitsgruppen eine zielführende und wertschätzende Atmosphäre herrscht und dass wir neu inspiriert werden, wie wir unseren Glauben im Alltag leben können. Manchmal fühlen sich junge Menschen zu negativen Kräften hingezogen, weil dieses Gute so langweilig wirkt. Und doch wünschen sich alle eigentlich dieses bedingungslose Angenommensein – welch seltsamer Widerspruch!

Fest der Freiheit

Die Jünger saßen in Jerusalem ganz verängstigt beieinander und der Heilige Geist befreite sie aus dieser lähmenden Angst. Sie gingen hinaus und erzählten überall von dieser befreienden Botschaft. Durch den Geist werden wir frei und mündig – und das ist wesentlich anstrengender, als wenn man nur stur Befehle ausführt, denn man ist gezwungen, sich selbst Gedanken zu machen. Paulus ermahnt uns, dass wir diese Freiheit hoch halten. Denn „wir sind nicht mehr Knechte, sondern Erben“ (Galater 4,7). Religion ist also keineswegs „Opium des Volkes“, wie Marx meinte, sondern spricht uns unendlich viel Freiheit und Würde zu.

Dass in der Kirchengeschichte oft anders gehandelt wurde, steht auf einem anderen Blatt und verstellt nach wie vor vielen den Blick auf diese befreiende Botschaft – das ist unendlich schade, sollte uns aber nicht davon abhalten uns am Original, an der biblischen Botschaft zu orientieren.

Unterscheidung der Geister

Es gibt in unserer Zeit eine verwirrende Vielfalt von spirituellen Angeboten und Glaubensrichtungen, wie soll man sich da zurechtfinden? Die Bibel nennt einige Gaben des Geistes, seien es Lehre, Heilung, Geisterunterscheidung oder das Reden in anderen Sprachen. Diese Gaben sind Kennzeichen des Heiligen Geistes und Paulus erinnert uns in 1. Korinther 13 daran, dass die Liebe die wichtigste Gabe ist. Bei der Einordnung von Gruppierungen können einige Fragen helfen:

Darf man hier kritisch fragen und seinen Verstand gebrauchen?
Darf man auch zweifeln?
Herrscht irgendein Druck, z.B. gesund, konform oder geheilt zu sein?
Welche Rolle spielen das Geld und die Macht?
Herrscht der Geist der bedingungslosen Liebe; wie wird mit Abweichlern und Skeptikern umgegangen?

Fest der Vereinigung

Das Tolle an Pfingsten ist: plötzlich verstanden sich Menschen unterschiedlicher Sprachen. Dies war eine vollkommene Situation der Kommunion (lat. Einswerdung). Wir können jetzt und heute fragen: Welche Sprache verstehen alle? Da wäre die Musik zu nennen, die Sprache des Lächelns und vor allem die Sprache der konkreten Hilfe. Einige Organisationen wirken in Ländern, in denen sie nicht von ihrem Glauben sprechen dürfen, aber die praktische Hilfe dort ist eine verständliche Sprache, die Zeugnis von ihrem Glauben gibt.

Die katholische Kirche als Weltkirche hat uns voraus, viele Frömmigkeitsformen unter einem Dach zu vereinen. Im protestantischen oder freikirchlichen Bereich neigen Gruppen dazu, sich abzuspalten, wenn sie meinen nur ihr Weg wäre richtig, eine bedauerliche, dem Pfingstfest zuwider laufende Entwicklung!

Stimmen von Gemeindemitgliedern

Vor vielen Jahren waren wir mit unseren Kindern und einer befreundeten Familie im Urlaub in der Toskana. Bei einem Ausflug sahen wir uns die Kirche in einem Dorf an. Der Priester betrat die Kirche und wir verständigten uns mit Hand und Fuß und einigen englischen Brocken. Er wollte wissen, ob wir katholisch seien, was wir verneinen mussten. In Italien ist es sicher sehr selten, nicht katholisch zu sein! Dann stimmten wir „Großer Gott wir loben dich“ an — wir sangen deutsch und er italienisch. Es war ein Moment großer Nähe und der Heilige Geist war uns allen sehr nah!
Meine Schwiegermutter hat mir erzählt, dass sie als Mädchen zu Pfingsten immer ein neues Sommerkleid bekam. Das mag jetzt rein äußerlich erscheinen, aber ich finde, es zeigt auch eine Hochachtung vor diesem Fest, das man mit einem schönen. neuen Kleid feiert.
Mit Pfingsten verbinde ich Kirche im Grünen, oder eine geschmückte Kirche mit jungen Birkenzweigen. Es ist der Geburtstag unserer Kirche und das war immer spannend, wenn man an solchen Tagen Kindergottesdienst gehalten hat. Mit dem Begriff Geburtstag konnte jeder etwas anfangen und dass man ein Fest feiert, mit jedem, egal welcher Herkunft und Sprache.
Mich hat als Kind schon immer der biblische Text des Pfingstwunders in der Apostelgeschichte fasziniert, in der von den Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern die Rede ist, die sich zu dieser Zeit in Jerusalem aufgehalten haben. Da werden Länder wie Mesopotamien, Kappadozien, Phrygien und Pamphylien genannt. Das hat damals schon mein Interesse für Geschichte geweckt.
Pfingsten – Geburtstag der Kirche. Seit etwa 20 Jahren steht dies für mich im engen Zusammenhang. Gott möchte, dass alle Menschen etwas von seiner frohen Botschaft erfahren und die Jünger bekommen diesen grandiosen Auftrag.
Pfingsten ist eines der großen kirchlichen Feste, das keine Vorbereitung erfordert. Ohne Advents- oder Passionszeit wie Weihnachten oder Ostern ist es einfach da. Man muss nicht über Geschenke nachdenken, keine Einladungen aussprechen oder Besuche machen. Wenn man will, kann man sich ganz auf die Botschaft über Pfingsten (Ausgießung des Heiligen Geistes) einlassen.

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