Gemeindereise nach Tschechien

Fahrt durch Westböhmen und Südmähren

Synagoge in Pilsen
Synagoge in Pilsen

Veranstaltet von der ev. Kirchengemeinde Ottensoos und ausgerichtet von der Reise Mission Leipzig starteten 22 Personen (18 Gemeindemitglieder, zwei Freunde der kath. Kirchengemeinde und zwei auswärtige Gäste) am 27. April 2018 Richtung Tschechien. Unser erstes Ziel war Plzeň (Pilsen), eine wichtige Industriestadt, bekannt durch die Škodawerke und das bekannte Pilsner Bier, das Pilsner Urquell. Zwar denkt man bei Pilsen zuerst an eine Industriemetropole, doch hat uns die Führung durch die Altstadt mit ihren prächtigen Bürgerhäusern im Stil der Gotik, der Renaissance und des Jugendstils sehr beeindruckt. Besonders erwähnenswert ist die Synagoge, die mehreren tausend Menschen Platz bietet. Diese wird jedoch nicht zu Gottesdiensten, sondern für Konzerte und Aufführungen genutzt. Die kleine jüdische Gemeinde von Pilsen versammelt sich in der alten Synagoge.

Die St. Bartholomäuskirche (gotisch) bot als besondere Attraktionen bunte Glasfenster (Darstellung des letzten Abendmahls) und eine Seitenkapelle, in der Maria mit dem Kind dargestellt ist, flankiert von der hl. Ludmilla und dem hl. Bartholomäus. Diese Darstellung erhielt bei der Weltausstellung 1900 in Paris den 1. Preis der sakralen Kunst.

Eine interessante Information hatte die kompetente Führerin für uns noch parat. Das Logo des Škoda-Pkws stellt einen Pfeil und darüber Federn dar. Einer der früheren Firmeninhaber soll von seinen Reisen einen Indianer aus Amerika mitgebracht haben und sich von Pfeil und Federschmuck für das Firmenzeichen inspirieren haben lassen.

Basilika in Kutná Hora
Basilika in Kutná Hora

Um 13.00 Uhr fuhren wir weiter nach Kutná Hora (Kuttenberg) in Mittelböhmen, das wir um 15.30 Uhr erreichen wollten, um in Eigenregie einen Rundgang durch die Altstadt zu machen. Leider hinderte uns ein längerer Stau um Prag am planmäßigen Vorankommen. So erreichten wir die Kleinstadt erst um 17.30 Uhr und die Kirchen waren schon geschlossen. Kutná Hora –aufgenommen in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes- war im 14. Jahrhundert durch den Silberbergbau reich geworden. Von den vielen Sehenswürdigkeiten seien erwähnt das Steinerne Haus, ein spätgotischer Bau und die Barbarakirche mit ihrem dreiteiligen Zeltdach, nachts wunderbar beleuchtet, und die Mariensäule. Leider reichte die Zeit nicht für eine Besichtigung der Beinhauskapelle, in der die Knochen von ca. 40.000 Menschen aufbewahrt sind.

Den Abend ließen wir in einem Lokal mir Bier, Aperol und Wein gut gelaunt ausklingen.

Ausschnitt Weihnachtskrippe Třebechovice
Ausschnitt Weihnachtskrippe Třebechovice

Am nächsten Tag wurde uns bewusst, wie wichtig es war, mit Jürgen Schmidt einen Reiseteilnehmer unter uns zu haben, der uns nicht nur mit seinen guten tschechischen Sprachkenntnissen hervorragende Dienste leistete, sondern der durch seine langjährigen beruflichen Aufenthalt in Tschechien auch außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten kannte, wie die Weihnachtskrippe in Třebechovice pod Orebem in der Nähe von Hradec Králové (Königsgrätz), denn diese war unserem Reiseveranstalter gänzlich unbekannt. Diese Krippe stellt nicht nur die Weihnachtsgeschichte dar, sondern gleichsam die Menschheitsgeschichte, mit den handwerklichen Tätigkeiten der Menschen, Tiere sind zu finden und die Gestirne. 40 Jahre arbeiteten drei Männer an der großen Krippe von über 6 Metern Länge. Die Krippe besteht aus 2000 geschnitzten Teilen, davon 373 Figuren, mit 51 Arbeitsabläufen. Diese werden auf mechanischen Ketten bewegt. Was für ein Eldorado für die Bastler und Techniker unter uns!

Allerdings erfuhren wir in dem anschließenden Film mit Originalaufnahmen auch von den Schattenseiten dieses Unikats. Die Frau des Hauptakteurs Josef Probost beschwerte sich, dass ihr Mann 40 Jahre nichts als die Krippe im Kopf hatte, während ihr der Hof und sämtliche Arbeiten oblagen.

Dreifaltigkeitssäule in Olmütz mit integrierter Kapelle
Dreifaltigkeitssäule in Olmütz mit integrierter Kapelle

Weiter ging es nach Olomouc (Olmütz) in Nordmähren. Diese von der österreichischen Kaiserin Maria Theresia (Böhmen und Mähren gehörten lange Jahre zur Donaumonarchie) bevorzugte Stadt mit 200 Baudenkmälern ist nach Prag das zweitgrößte Denkmalschutzgebiet.

Die Altstadt ist in die beiden Hauptplätze Ober- und Unterring geteilt. Die Stadt hatte während des 30-jährigen Krieges unter der schwedischen Besatzung schwer gelitten, viele Gebäude waren zerstört, doch wurde die Stadt als prächtige Barockstadt wieder aufgebaut. Eine Augenweide ist die Dreifaltigkeitssäule mit einer Höhe von 35 Metern erbaut von 1716 – 1754. Der Sockel beherbergt eine kleine Kapelle. Wir besuchten auch die Kirche Maria im Schnee. In dieser Kirche spielte Mozart 1767 während seines zweimonatigen Aufenthaltes in der Stadt öfter die Orgel. Dort wurde unsere Gruppe in eine schöne Sakristei geführt im Stil des Barock und Rokoko, eine Besonderheit, denn oftmals wurde für die Sakristei kein so wertvolles Interieur geschaffen. Die Stadt ist auch berühmt für seine vielen geschmückten Brunnen. Eine Brunnenfigur stellt Caesar dar, der nach einer Sage der Gründer der Stadt gewesen sein soll.

Zitadelle Brünn
Zitadelle Brünn

Nach Olmütz fuhren wir weiter nach Brno (Brünn), wo wir unser Hotel für die nächsten drei Tage bezogen, ein 4 Sterne-Hotel, nur einen Steinwurf von der Altstadt entfernt, mit Zimmern im neunten und zehnten Stock mit Blick auf die Stadt, ein Traum.

Der Morgen des dritten Tages unserer Studienreise begann nach dem Frühstück mit einem Gottesdienstbesuch in der Christuskirche in Brünn, einer evangelischen Gemeinde der Böhmischen Brüder. Zwar wurde der Gottesdienst in tschechischer Sprache gehalten, doch bedankte sich Bruder Vitek, der Pfarrer, bei uns ausdrücklich für unseren Besuch. Unsere Anwesenheit sei eine Stärkung für die Gemeinde. Pfarrer Vitek war am Abend bei uns im Hotel zu Gast. Er spricht ein hervorragendes Deutsch, da er in Wuppertal und Heidelberg studiert hatte, doch davon später.

Nach dem Gottesdienstbesuch erwartete uns eine engagierte Stadtführerin, die in Bezug auf die Probleme, die Tschechien mit korrupten Politikern und anderen einflussreichen Personen hat, kein Blatt vor den Mund nahm. Ähnliches sollte am nächsten Tag auch die Fremdenführerin in Bratislava über die Slowakei berichten.

Brünn ist die zweitgrößte Stadt Tschechiens und Hauptstadt Mährens. Wichtigster Anziehungspunkt ist die internationale Brünner Messe, unsere Gruppe war jedoch vor allem an den Sehenswürdigkeiten der Stadt interessiert. Während der k. und k. Monarchie war Brünn ein Zentrum der Tuchmanufaktur. Durch seine gute Eisenbahnverbindung nach Österreich wurde Brünn auch als Vorstadt Wiens bezeichnet.

Besonders erwähnenswert ist die Radnická, eine schöne Gasse der Altstadt mit Häusern aus der Renaissancezeit. Im Durchgang eines gotischen Portals hängt ein ausgestopftes Krokodil, zu dem es natürlich eine Sage gibt. Das Krokodil soll ein Drache gewesen sein, der die Stadt bedrohte, aber natürlich von der Brünner Bevölkerung überwältigt werden konnte.

Wichtige Anziehungspunkte sind der Dom St. Peter und Paul und auf dem gegenüberliegenden Hügel die Zitadelle. Brünn war wie Olmütz zur Zeit Maria Theresias eine Festungsstadt. Viele Deutsche, darunter auch viele deutsche Juden lebten lange Jahre in der Stadt, so dass überwiegend auch deutsch gesprochen wurde.

Schloss Lednice
Schloss Lednice

Nachmittags fuhren wir mit dem Bus nach Lednice (Eisgrub) mit seinem hinreißenden Schloß im englischen Tudorstil, auch dies ein UNESCO-Weltkulturerbe samt dem dazugehörigen Schlosspark und nach Mikulov (Nikolsburg), ebenfalls mit Schloss und einem beeindruckenden Marktplatz .

Diese Gegend ist ein Weinanbaugebiet nahe der österreichischen Grenze.

Abends besuchte uns Bruder Vitek und beantwortete unsere vielen Fragen über das kirchliche Leben in Tschechien. Zwar ist die röm.-kath. Kirche in Tschechien die größte Religionsgemeinschaft, die Zahlen schwanken zwischen 11 und 30 Prozent, da bei Zählungen Bürger ganz unterschiedliche Angaben machen, doch ist der Anteil der konfessionslosen Bevölkerung in Böhmen viel höher als in Mähren. Vor allem in Südmähren „ist man katholisch“. Der evangelische Anteil der Bevölkerung liegt bei etwa 1 %. Dabei war die Bevölkerung zum Beginn des 30-jährigen Krieges zu großen Teilen evangelisch. Das ist natürlich auf den böhmischen Reformer Jan Hus und die daraus entstehende husitische Bewegung zurückzuführen. Im Jahr 1620 jedoch unterlagen die protestantischen Böhmen der katholischen Liga und es begann eine Rekatholisierung der Bevölkerung. Der bekannte ev. Theologe Johann Amos Comenius musste ins Ausland fliehen. Die evangelische Kirche existierte „heimlich“ weiter. Unter Maria Theresias Sohn Joseph II. entspannte sich die Lage für die evangelische Kirche und erst im 19. Jahrhundert wurde die Religionsfreiheit gewährt. Die heutige Kirche der Böhmischen Brüder geht auf einen Zusammenschluss aus dem Jahr 1918 zurück.

Bruder Vitek
Bruder Vitek

In Brünn leben etwa 3.000 evang. Christen, der Kirchenbesuch liegt bei ca. 10 Prozent. In der Gemeinde gibt es Kindergottesdienst und jeden Sonntag Kirchenkaffee. Leider konnten wir an letzerem nicht teilnehmen, da wir eine Stadtführung gebucht hatten. Die Pfarrer werden teilweise vom Staat finanziert (als „Wiedergutmachung“ für die eingezogenen Güter während des Kommunismus) und teilweise aus den Spenden der Kirchenbesucher. Für die Erhaltung der Kirchengebäude sind die Gemeinden zuständig.

Eine Besonderheit ist, dass eine kirchliche Trauung auch für den Staat gültig ist und eine standesamtliche Trauung nicht mehr erforderlich ist.

Insgesamt hat uns Bruder Vitek sehr beeindruckt. Nicht nur, dass er sich nach einem Jahr Ruhestand nochmals in den Dienst rufen ließ, den er nun schon seit 4 Jahren wieder ausübt (Pfarrermangel ist in der Böhmischen Kirche ein Thema), sondern auch seine lockere und lustige Art, mit dem er uns in der Bar bei einem Glas mährischen Weines nach dem „offiziellen Teil“ noch unterhielt.

So erzählte er eine schöne Anekdote zur Rivalität zwischen Prag und Brünn, die auch ein wenig an die Rivalität zwischen München und Nürnberg erinnert: Beim mährischen Wein gibt es drei Kategorien:

  1. Kategorie: man kann den Wein trinken
  2. Kategorie: man kann daraus Glühwein machen
  3. Kategorie: (für den schlechten Wein): Man kann ihn nach Prag verkaufen.
Straßenimpression Bratislava
Straßenimpression Bratislava

Am vierten Tag fuhren wir mit dem Bus in die slowakische Hauptstadt Bratislava (Pressburg).

Bei unseren Andachten im Bus während der Fahrt durfte auch das Lied Paul Gerhards „Geh aus mein Herz“ nicht fehlen. Passend zu dem Vers „Der schnelle Hirsch, das leichte Reh ist froh und kommt aus seiner Höh ins tiefe Tal gesprungen“ sahen wir immer ganze Rudel von Rehen in den grünen Ebenen grasen.

Bratislava liegt an beiden Ufern der Donau, am Südende der Kleinen Karpaten. Sowohl Österreich als auch Ungarn sind nicht weit. Bratislava war lange Zeit die Hauptstadt Ungarns, da Budapest während eines Krieges an die Türken verloren ging. Die Stadt wird beherrscht von der Burg, die wir als erstes aufsuchten und von der wir einen schönen Überblick über die Stadt gewannen. Weitere Anziehungspunkte waren der Martinsdom, die prunkvollen Fassaden der herrschaftlichen Häuser der Altstadt, schön gestaltete Plätze und natürlich Kaffeehäuser mit köstlichem Kuchen.

Kaiserin Maria Theresia hat auch Bratislava sehr gefördert. Überhaupt hatten wir den Eindruck, dass der Vielvölkerstaat der Donaumonarchie ein ganz besonders reiches kulturelles Erbe hinterlassen hat.

Bratislava ist auch die Stadt der Musik. Mozart, Liszt und Beethoven weilten in der Stadt und gaben Konzerte.

Auf dem Rückweg gönnten wir uns noch eine Führung durch einen Weinkeller mit anschließender Verkostung in Valtice (Feldsberg).

Marktplatz Telč
Marktplatz Telč

Der letzte Tag unserer Reise führte uns nach Telč (Teltsch) in Südmähren, eine Stadt wie aus einem Bilderbuch und natürlich auch UNESCO-Weltkulturerbe. Die Stadt kann nur durch zwei Tore betreten werden und offenbart ein Ensemble von großer Einheitlichkeit. Die Häuserzeilen sind durch Laubengänge aneinandergereiht und umrahmen den Marktplatz mit der Statue der Jungfrau. Leider reichte für eine Schlossbesichtigung die Zeit nicht mehr und wir reisten weiter nach Český Krumlov (Krumau). Auch in Krumau war unsere Zeit begrenzt und doch gewannen wir einen schönen Eindruck von dieser südböhmischen Stadt an einer Schleife der Moldau gelegen mit seinem imposanten, die Stadt beherrschenden Schloss. Natürlich durfte ein Besuch in der St. Veitkirche nicht fehlen. In der Kirche gab es dann eine Diskussion, welche Figur bzw. welches Gemälde wohl den hl. Veit darstellte. Mit diesem ungelösten Rätsel verabschiedeten wir uns aus der Stadt, ebenfalls ein Weltkulturerbe der UNESCO.

Die Heimreise gestaltete sich bis auf einen Stau auf der Autobahn kurz vor der Ausfahrt nach Ottensoos problemlos.

Pfarrer Kessel bedankte sich beim Busfahrer Helmut Schmidt vom Busunternehmen Pickel für seine souveräne und gelassene Art, mit der er uns, wenn es nicht anders möglich war, durch Staus und auf Umleitungen immer sicher ans Ziel brachte, bei Dagmar Schienhammer und Elfriede Deinzer für die Vorbereitung der Reise und vor allem bei Jürgen Schmidt, dessen Sprach- und Ortskennnisse von großer Wichtigkeit waren.

Dagmar Schienhammer ihrerseits überreichte Herrn Kessel einen Gutschein und dankte im Namen der Teilnehmer für sein Engagement bei den Vorbereitungen und der Durchführung der Reise.

Wir alle hoffen, dass in den nächsten Jahren wieder eine Studienreise durchgeführt werden kann.

 

Reinhold Pürkel

 

Bildnachweis: Lassauer, Huth, Polifke