Der Jungfrauenaltar

Der rechte Seitenaltar in unserer Veitskirche ist der Jungfrauenaltar, der sowohl im geschlossenen als auch im geöffneten Zustand die „drei heiligen Madl“ als Bildprogramm zeigt. Unter geschnitztem, goldenem Gesprenge finden sich die Heiligen im Mittelschrein. Sie sind auch die drei weiblichen Nothelferinnen im Reigen der 14 Nothelfer.

Es gibt einen schönen Merkspruch im süddeutschen Raum: „Margaretha mit dem Wurm, Barbara mit dem Turm, Katharina mit dem Radl, das sind die drei heiligen Madl.“ Leider haben die drei Madl in Ottensoos andere Attribute – Heilige hatten oft mehrere Attribute, an denen man sie erkennen konnte und die immer etwas mit ihrer Lebensgeschichte zu tun hatten. Katharina ist in der Veitskirche mit dem Schwert dargestellt, Barbara mit Hostie und Kelch und Margaretha hält beim geschlossenen Altar ein Kreuz und beim geöffneten einen Palmwedel und ein Buch.

 

Die Kronen der heiligen Madl finden sich auch im Logo der Kronenbräu-Brauerei, die es nun leider seit über 20 Jahren nicht mehr gibt. Schon im 14. Jahrhundert soll sie zusammen mit einer Wirtschaft entstanden sein, um auch Wallfahrer zu bewirten, die nach Ottensoos gekommen sind, laut Martin Schieber eine „Legende, die zumindest schön erfunden ist und in dem Punkt der Namenserklärung recht haben mag.“ Kirche, Brauerei und Wirtshaus bildeten über Jahrhunderte eben auch den Dorfmittelpunkt.

 

 

 

Barbara

Ich bin Barbara und wurde von meinem heidnischen Vater in einen Turm eingeschlossen. Dort fand ich einen verdorrten Kirschzweig, den ich mit Tropfen aus meinem Trinknapf wässerte. In den letzten Tagen meines Lebens war es mir ein Trost, dass der Zweig blühte und ich sang: „Du schienst tot, aber bist aufgeblüht zu schönem Leben. So wird es auch mit meinem Tod sein. Ich werde zu neuem, ewigen Leben aufblühen.“ Am Barbaratag, am 4. Dez., stellt man deshalb Zweige ins Zimmer, die bis Weihnachten blühen sollen. Vielleicht wollen Sie es im nächsten Dezember probieren?

Ich bin Katharina und wollte keinen Heiden heiraten. Der Kaiser holte die 50 besten Philosophen, die sich mit mir auseinandersetzen sollten, aber ich hatte die besseren Argumente. Schon erstaunlich, dass man meine Intelligenz anerkannte, obwohl Frauen doch damals als nicht bildungsfähig galten. Es hat mir nichts genützt, ich wurde aufs Rad gebunden, das allerdings Zersprang. Das Rad wurde später als Spinnrad interpretiert und ab meinem Namenstag (25.11.) trafen sich die Frauen zum gemeinsamen Handarbeiten im Winter. Bei euch gibt es doch auch die Roggerstubn – das finde ich toll!

Katharina
Margareta

Ich bin Margareta und auch ich musste ein Martyrium erleiden, weil ich einen heidnischen Priester zum Vater hatte, der nichts von meinem christlichen Glauben wissen wollte. Vielleicht ist Ihnen auch aufgefallen, dass wir drei Madl recht gleich aussehen? Gleiche Figur, gleiche Gesichter und Frisuren. Tatsächlich ist das Wort „Individualität“ ein Wort der westlichen Moderne. Früher spielte das eine geringere Rolle und auch in anderen Teilen der Welt ist das heute noch so. Ich denke Individualität ist etwas Tolles, aber es birgt auch die Gefahr des Egoismus, oder sehe ich das falsch aus meiner Zeit heraus?

Ottilie

Die drei heiligen Madl werden links von der heiligen Ottilie und rechts von der heiligen Magdalena flankiert. Magdalena ist die einzige biblische Gestalt unter den Heiligen und deshalb sicher am besten bekannt. Sie trägt ein Salbgefäß, weil sie Jesus vor seiner Passion die Füße salbte. Auch bei der Kreuzigung und der Auferstehung war sie dabei.

Weniger bekannt ist Ottilie mit einem Buch, auf dem sich früher möglicherweise ein Augenpaar befunden hat, da sie als Patronin bei Augenleiden gilt. Sie kam aus einem bereits christlichen Elternhaus, ihr Vater war aber sehr jähzornig und wollte seine Tochter nach der Geburt töten, weil sie blind geboren worden war. Ihre Behinderung empfand er als Verletzung seiner Ehre. Schließlich wurde sie dann aber doch „nur“ bei einer Amme versteckt. Bei der Taufe erlangte sie ihr Augenlicht zurück. Sie ist eine der wenigen Heiligen, die schließlich einen positiven Einfluss auf ihren Vater ausübte. Als er sie dabei antraf, dass sie den Armen als Wohltäterin half, schenkte er ihr ein Anwesen, wo sie ein Kloster für Frauen begründete. Wegen der großen Außenwirkung ließ er die Kirche später vergrößern und starb unter dem Einfluss seiner Tochter als frommer Mann.

Als Schutzheilige des Elsaß kann man dort den Ottilienberg auch heute noch besuchen.

Magdalena

 

Geschlossener Altar

Wenn der Jungfrauenaltar geschlossen ist, sieht man von links nach rechts zunächst wieder die drei heiligen Madl und rechts davon die heilige Apollonia mit einer Zange, die sie als Patronin gegen Zahnleiden ausweist. Sie musste sich nicht eines Vaters oder Freiers erwehren, wie die meisten anderen Heiligen, sondern fiel einem Pogrom zum Opfer, bei dem die angesehene alte Frau aus Alexandrien von einem aufgebrachten Mob zusammen mit anderen Christen verschleppt wurde. Außerdem wurden ihr die Zähne ausgeschlagen. Wie bei vielen anderen Heiligen rankten sich immer mehr Legenden um sie.

Auf jeden Fall ist man beim Anblick von Apollonias Zange doch froh, sich bei Zahnschmerzen nicht in ihre Hände begeben zu müssen.

Das wollten wir sagen:

Dorothea mit einem Körbchen voll Rosen und einem Buch, Ursula mit einem Pfeil
Dorothea mit einem Körbchen voll Rosen und einem Buch, Ursula mit einem Pfeil
Agnes mit einem Lamm und Christina mit der Hostie
Agnes mit einem Lamm und Christina mit der Hostie

D: Eigentlich führen wir hier unten in der Predella ein recht stiefmütterliches Dasein. Wer von den Ottensoosern hat uns wohl schon bewusst wahrgenommen?

U: Noch dazu wo man uns die meiste Zeit des Jahres nicht sieht, schließlich ist der Altar nur in der Fastenzeit vor Ostern und Weihnachten geschlossen, so dass wir Vier zum Vorschein kommen.

A: Fastenzeit vor Weihnachten? Dass vor Ostern Fastenzeit ist, das glaub ich wissen die Menschen heute schon noch, aber vor Weihnachten? Schau dir doch mal die Weihnachtsmärkte mit Lebkuchen und Glühwein an, da denk ich eher nicht, dass es ums Fasten geht, oder was meint ihr?

C: Wohl kaum, aber die Zeiten ändern sich halt, ich denke auch, dass die wenigsten Besucher überhaupt mit uns etwas anfangen können. Wer hat heute schon was mit „Heiligen“ am Hut? Außerdem ist die Kirche schon lang evangelisch, da spielen wir keine Rolle!

D: Du hast Recht, unsere besten Zeiten sind lang vorbei. Wer kann das heute schon nachvollziehen, dass eigentlich eine jede von uns wegen ihres Glaubens Marter auf sich genommen hat. Schon allein das Wort „Marter“! Wir mussten uns gegen heidnische Väter oder heiratswillige Männer behaupten, und das war nur mit äußerstem Glaubensgehorsam zu bewerkstelligen, heute sind die Menschen viel pragmatischer und zu Kompromissen bereit!

A: Das ist wohl so, aber haben wir gar keine Botschaft mehr für die Menschen von heute? Als du das mit den Männern sagtest, denen wir fast alle einen Korb gaben, musste ich auch daran denken, dass es mir besonders schlimm erging. Ich sollte sogar zur Prostitution gezwungen werden, aber ich erhielt ein Lichtgewand von Gott, durch das alle geblendet wurden und sich mir nicht nähern konnten. Dieses Thema des Sexismus ist so alt wie die Menschheit und leider auch heute aktuell, wenn ich daran denke, wie junge Mädchen und Frauen manchmal „angemacht“ werden bis hin zur Me too – Debatte oder gar zur Zwangsprostitution! Unsere Geschichten sind in altem Gewand, aber leider oft mit sehr aktuellem Bezug!

U: Da fällt mir auch etwas ein, was ich den Menschen von heute sagen kann. Nach der Legende habe ich 11 000 Leidensgenossinnen um mich geschart – da hat man wohl im Lauf der Geschichte die Zahl fälschlicherweise mit 1000 multipliziert! Die Menschen haben schon immer so gern übertrieben! Aber meine Gefährtinnen und ich, wir waren ein eingeschworenes Team. Freundschaft zwischen Frauen ist etwas unglaublich Stärkendes. Das habe ich in all der Zeit mit meinen Gefährtinnen erlebt und das möchte ich an die Frauen von heute weitergeben: pflegt eure Freundschaften, nehmt auch Zeit füreinander und stärkt euch gegenseitig den Rücken.

D: Das hast du schön gesagt, vor allem dann, wenn es einer so geht, wie es mir ergangen ist. Um mich zu martern, wurde ich neun Tage ohne Nahrung in einen lichtlosen Keller geworfen. Aber ich kam wieder frei! Ich weiß, dass es das übertragen so oft gibt: Das Leben erscheint wie ein lichtloser Keller, wenn man unter Depressionen leidet und da sind es oft neun Wochen, neun Monate oder gar Jahre. In dieser Situation an das Licht und die Befreiung zu glauben ist nicht einfach, aber ich möchte mit meiner Geschichte dazu ermutigen, daran zu glauben, dass es wieder hell wird.

Und was ist mit dir Christina, hast du auch eine Botschaft für uns?

C: Ich habe nicht so eindrückliche Beispiele wie ihr drei, aber mein Name ist an sich eine Botschaft! Ist es nicht schön, dass mein Name seit über 1000 Jahren immer wieder aktuell ist und bleibt, ob in der männlichen oder weiblichen Form oder auch als Kurzform wie Tina. Wir alle vier beziehen unser Leben auf Christus und haben es als ein sinnerfülltes Leben gelebt.

 

Quellen: Martin Schieber, Ottensoos
www.heiligenlexikon.de

Bildnachweis: Huth