Schwerpunkt

Der gotische Altar an der Nordwand von St. Veit
Ich staune jedes Jahr am Tag des offenen Denkmals, wie viele Menschen sich für unsere Kirche St. Veit interessieren. 70 bis 100 Besucher, überwiegend aus dem Großraum Nürnberg, aber auch aus der Oberpfalz, nehmen an den Führungen teil.
Es ist uns Ottensoosern oft gar nicht bewusst, welches Kleinod das Wahrzeichen des Dorfes darstellt, sowohl in seiner äußeren Form als auch hinsichtlich der Kunstschätze im Inneren der gotischen Hallenkirche. In dem Buch „Dorfkirchen in Franken“ von Konrad Bedal, dem ehemaligen Leiter des Freilandmuseums Bad Windsheim, wird die Ottensooser Kirche St. Veit zu den 50 aussagekräftigsten und auch schönsten Kirchen im gesamten fränkischen Raum, einschließlich des baden-württembergischem Main-Tauber-Kreises und des Landkreises Eichstätt, gezählt.
Deshalb sollen im Folgenden die vier Bildtafeln des gotischen Altars an der Nordwand vorgestellt werden. Wie dieser Altar ursprünglich in seiner Gesamtheit ausgesehen hat, einschließlich der Lindenholzfigur des Hl. Veit, die jetzt zwischen Marienaltar und Sakramentshaus zu finden ist und der übrigen Figuren, ist dem Modell, das rechts neben dem Altar angebracht ist, zu entnehmen.
Der Altar des Hl. Veit war seit etwa 1470 im Altarraum, der jetzt vom barocken Hochaltar dominiert wird, zu finden. Im Jahr 1698/99 wurde er jedoch durch eben jenen barocken Altar ersetzt. Er war sozusagen „überflüssig“ geworden. Die Altartafeln wurden als Gerüstbretter verwendet, eine Tafel wurde zu einer Tür „umgebaut“, eine andere Tafel wurde zersägt und als Abdeckplatte für den neuen Altar verwendet. Ein für uns Heutige unfassbarer Vorgang. Aber irgendwann hat jemand sich der Altartafeln dann doch angenommen, hatte sozusagen Mitleid mit ihnen, und sie in die Schatzkammer, den kleinen Fachwerkturm, an der Südostseite der Kirche gebracht.
In seinem 1983 erschienenen Buch „Ottensoos – Aus der Geschichte eines Dorfes im Nürnberger Land“ schreibt Wilhelm Schwemmer von „vier ruinösen, beiderseits bemalten Altarflügeln, Christus und St. Veit sowie Szenen aus dem Neuen Testament und der Legende des St. Veit.“
Diese „ruinösen Altarflügel“ würden noch immer in der Schatzkammer ruhen, hätte nicht der damalige kunsthistorisch sehr interessierte Pfarrer Arnulf Elhardt die stark in Mitleidenschaft genommenen und staubigen Tafeln aus der Schatzkammer geholt, sie den Kunsthistorikern des Germanischen Nationalmuseums gezeigt und veranlasst, dass diese Tafeln restauriert wurden. Der Heroldsberger Restaurator Oellermann renovierte 1992 die Innenflügel, 1995 kamen noch die beiden Außenflügel dazu, so dass seit Dezember 1995 die Altartafeln die Nordwand unserer Kirche schmücken.
Die Predella, der Unterbau (bemalter Sockel), wurde zuletzt restauriert.
Der Altar informiert die Betrachter über die Legende des Hl. Veit. Diese Bilder waren für unsere Vorfahren sehr wichtig, konnten doch nur die wenigsten lesen. Anhand der Bildtafeln lernten sie die Geschichte des Kirchenpatrons kennen.
Beeindruckend sind die kräftigen bunten Farben des Altars, der „nur gereinigt und zusammengesetzt“ wurde, nicht mehr vorhandene Teile wurden nicht ergänzt, sondern die Tafel blieb in diesem Bereich leer. Erhalten geblieben sind die Originalfarben.
Die linke der beiden Innentafeln zeigt den auferstandenen Christus, die Dornenkrone tragend, der dem Betrachtenden seine Wundmale zeigt. Auf der rechten Innentafel ist der Hl. Veit zu sehen, dargestellt als modisch gekleideter junger Mann im Stil der Renaissance, auf Christus zugehend. Auffallend sind seine Schuhe, sogenannte Tippen, die beim Betreten des Hauses ausgezogen wurden, um die Wohnung nicht zu beschmutzen. In den Händen hält er seine Attribute, das Buch, auf welchem ein Hahn steht. Veit oder lateinisch Vitus war ein sehr wichtiger Heiliger. Er galt schon seit dem Mittelalter als Helfer unter anderem bei Nervenkrankheiten, Epilepsie (auch dem sogenannten Veitstanz), Schlangenbiss, Aufregungen, Augenkrankheiten, Unfruchtbarkeit, für eine gute Ernte, fungierte als Schutzpatron für die Haustiere. Zentren seiner Verehrung waren Saint-Denis in Frankreich, und natürlich der Veitsdom in Prag. Innerhalb Deutschlands wurde er in vielen Orten Nordrhein-Westfalens verehrt, so im Kloster Corvey, auch ist er auf dem alten Stadtwappen von Mönchengladbach zu finden. Aber auch in unserer Gegend ist er durchaus anzutreffen. Sogar im Lied der Franken kommt er vor („Zum heil’gen Veit von Staffelstein …“). Es gibt mehrere Wetterregeln, die ihn nennen, so beispielsweise: An St. Vitus viel Donner bringt fruchtbaren Sommer. Sein Namenstag, und das wissen wir Ottensooser alle, ist der 15. Juni. Um diesen Tag herum feiern wir unsere Kirchweih.
Wenden wir uns nun den Szenen auf den vorderen Außentafeln zu (siehe die Titelseite des Gemeindebriefs). Auf ihnen wird in vier Bildern das Martyrium des Heiligen dargestellt. Der Legende nach stammt er aus Lucanien auf Sizilien. Veit, der durch seinen Lehrer Modestus und seine Amme Kreszentia Christ geworden ist, muss verschiedene Martern ertragen, da sein Vater ihn vom christlichen Glauben abbringen will. So sehen wir auf der oberen linken Tafel, wie Veit sich weigert ein Götzenbild anzubeten, das auf einer Säule steht. Im unteren Teil befindet sich Veit mit Modestus und Kreszentia in einem Kessel, den zwei Soldaten schüren. Auf der Tafel rechts wird Veit von Soldaten geschlagen, um seinem Glauben abzuschwören. Ein interessantes Detail stellt der Mann im vom Betrachter aus gesehenen linken Eck dar. Es soll sich um Veits Vater handeln, der dem grausigen Schauspiel zusieht. Darunter ist Veit an Händen aufgehängt mit Modestus zu sehen, Kreszentia fehlt, da diese Tafel leider beschädigt wurde.
Die Rückseiten (Seite 9) sind nicht mehr ganz deutlich erkennbar. Aber auch sie handeln vom Martyrium des Heiligen. Auf der linken oberen Tafel ist Veit, mit Lehrer und Amme zu sehen, wie sie (vielleicht) an einem See beten. Diese Szene weist wohl schon auf die Rettung und das überstandene Martyrium hin. Darunter soll Veit durch Spielleute und schöne Frauen von seinem Glauben abgebracht werden. Im unteren Teil auf dem rechten Flügel (leider ist diese Tafel sehr beschädigt) sieht man Veit in der Löwengrube. Doch die Löwen sind dem Heiligen gegenüber ganz zahm. Sehr schwierig fällt die Deutung des oberen Bildes. Da jedoch zusätzlich zu mehreren Gestalten (eventuell) noch ein Esel oder ein Pferd abgebildet ist, könnte es sich um die Heilung des Sohnes des römischen Kaisers Diokletian, der um etwa 300 n. Chr. regierte, handeln (so Pfr. Elhardt in einem Aufsatz der Altnürnberger Landschaft). Übrigens hat Veit alle seine Martyrien überstanden. Durch einen Engel soll er in seine Heimat zurück gebracht worden sein, wo er in Frieden starb.
Vielleicht sind sie, liebe Gemeinde, neugierig geworden und sehen sich bei einem Ihrer Kirchenbesuche oder während der Öffnungszeiten unseren wunderschönen Veitsaltar einmal genauer an. Sie können mich auch gerne dazu ansprechen.
Veit ist übrigens in unserer Kirche sehr oft anzutreffen. Er ist dargestellt in die sehr kostbar gearbeiteten, oben schon erwähnten Lindenholzfigur, sitzend als gelockter Jüngling, außerdem ist er in der Predella des Jungfrauenaltars, beim Kanzelaufgang, bei den Nothelfern zu finden (mit Buch und „loderndem“ Feuerkessel in der Hand). Im Altarraum kann man ihn dreimal betrachten. Besonders erwähnenswert ist die kleine Holzfigur seitlich des Sakristeieingangs. Als Kopfbedeckung trägt er eine Hermelinmütze, die ihn als Kurfürst ausweist. Dies hängt damit zusammen, dass Veit der Nationalheilige der Böhmen und Mähren ist und der König von Böhmen einer der sieben Kurfürsten war.
Die Predella (siehe Bild unten) hat im Laufe der Jahrhunderte leider sehr gelitten. Nur wenige der vierzehn Nothelfer sind zu erkennen. Oftmals ist man auf Vermutungen an Hand der Attribute angewiesen. Die Restaurationsfirma Oellermann hat versucht, die teilweise kaum erkennbaren Gestalten zuzuordnen. Rechts neben dem Altar können Sie die dazugehörigen Informationen finden.
Bei der Kirchenführung am „Tag des offenen Denkmals“ überreichte Marion Utzat aus Schönberg ein tolles Buch, das sie selbst gezeichnet und geschrieben hat zum Thema der 14 Nothelfer. Sie sagte, dass sie damit das Ehrenamt würdigen will und hat das Buch (etwas größer als DIN A 3 Format) der Kirchengemeinde Ottensoos gewidmet. Hier die beiden Seiten zum Heiligen Veit.
Reinhold Pürkel
Ouellen: Pegnitzzeitung, Weihnachtsausgabe 1995; Kirchenbote Ottensoos Dez. 95/Jan 96; Legenda Aurea; Altnürnberger Landschaft e.V., Dezember 1996; Dorfkirchen in Franken, Konrad Bedal 2015; Ottensoos, aus der Geschichte eines Dorfes im Nürnberger Land, Wilhelm Schwemmer, 1983; Ottensoos, Ein Streifzug durch elf Jahrhunderte Geschichte, Martin Schieber, 2003
Bildnachweis: Huth
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