Schwerpunkt
Besondere Gottesdienste
„Horchd edz amoll alle gud zu“
Ein Gottesdienst in Mundart – geht das? Ist Mundart nicht eher etwas für ein lustiges Theaterstück oder vielleicht für ein Kabarett?
Der eine oder andere konnte es sich ehrlich gesagt nicht recht vorstellen, wie das sein würde, aber alle wurden positiv überrascht. Einige Besucher des Mundartgottesdienstes hatten sich an diesem Sonntag besonders einladen lassen, wie es angekündigt worden war: „Lau di eilodn in die Kirch!“
Das ganze fand am „Back to church”-Sonntag statt, den die Landeskirche eigens zu diesem Zweck ausgerufen hatte und in Ottensoos fand quasi das Kontrastprogramm zu diesem englischen Motto statt.
Kontakt zu Albert Trommer vom Arbeitskreis „Mundart in der Kirche“, seines Zeichens auch Prädikant, hatte Elfriede Deinzer beim Kirchentag geknüpft und ihn für diesen Sonntag gewonnen.
Tatsächlich wurde in diesem Gottesdienst alles auf fränkisch dargeboten, von den Liedern des Frauensingkreises über die Gemeindelieder, alle Gebete und Lesungen, natürlich die Predigt bis hin zu den Abkündigungen. Dass Monika Haas und Elfriede Deinzer auch des fränkischen Dialekts ohne Einschränkungen mächtig sind, stellten die beiden eindrücklich unter Beweis.
Ein kleiner Witz zu Beginn ließ gleich alle schmunzeln: Als Gott die Dialekte verteilte, bekamen alle Regionen den Ihren, die Schwaben und Bayern, die Sachsen und die Berliner, nur für die Franken blieb keiner mehr übrig. Als der Franke schon beleidigt abziehen wollte, rief ihn Gott zurück und tröstete ihn: „Etz sei ned beleidichd, redd hald einfach su wie iich!“
Besonders berührt haben die Lieder. Diese sind soundso im Gottesdienst sehr zentral, weil Musik noch einmal eine andere Ebene anspricht, weniger den Verstand sondern direkt das Herz. Das wurde durch die fränkischen Texte verstärkt. Dialekt ist uns immer nah, weil er daheim gesprochen wird und von der Kindheit her vertraut ist. Im Arbeitsleben benutzt man eher das Hochdeutsche, aber heimeliger ist immer der Dialekt.
In seiner Predigt erzählte Albert Trommer einige „Gschichtla“. Dabei wurde deutlich, dass Fränkisch nicht gleich Fränkisch ist, denn in Ottensoos würden wir von „äm Gschichdler“ sprechen, auch benutzen wir kein „Liedbläddla“ sondern ein „Liedbläddler“.
Eine bekannte Kurzgeschichte von Heinrich Böll auf Fränkisch zu hören, war eine neue Erfahrung. In der Geschichte geht es darum, dass es nicht der Sinn des Lebens sein kann, nur Materielles anzuhäufen und dabei das eigentliche Leben zu verpassen. Sicher eine wichtige Botschaft für uns Franken, stehen wir doch im Ruf, ständig zu „ärbern“ und gern immer mehr haben zu wollen. Besonders eindrücklich hatte diese Botschaft schon Monika Haas in der Lesung von Psalm 49 verdeutlicht, ein Text, der sehr passend zur Predigt abgestimmt war.
Im Anschluss an den Gottesdienst waren von allen Seiten positive Stimmen zu vernehmen und beim Kirchenkaffee konnte man sich noch mit dem Mundart-Prädikanten austauschen.
Psalm 49
Horchd edz amoll gud zu wos iich euch sooch,
des ledsde Hemmerd had kaane Taschn.
An großn Verschdärgger mit an großn Laudschbrecher möchdi edz nehma
und dann ganz laud a Durchsooch machen:
Horchd mir zu, alle Völker af dera Weld!
Horchd her, liebe Zeidgenossn!
Horchd her, ihr einfachn Leid!
Horchd her, ihr Mänädscher, ihr Angeber!
Horchd her, ihr Millionäre!
Horchd her ihr arma Schlugger und Hardz IV Embfänger!
Horchd ALLE her, ALLE!
Ja, horchd zu alle midanander.
Wos iich edzerdla sooch is a Nachrichd von Godd!
Die kumd ausn Herzn und jeder kann des verschdeh.
A Rädsl und a Geheimnis – obber vuller Musigg is die Bodschafd:
Wer si af sein Besidz und af sei Geld verlässd,
der lebd am Lebm vorbei.
Godd is ka Raiffeisnbangg und ka Kreisschboarkassa, bei denner
wou mer a große Summe für sei Lebm hinderleegn könna.
Des Lebm is nämli unendli vill mehr werd als Geld und jedes Werdbabier.
Des ledzde Hemmerd had kane Daschn
und kanner kann wos miednehma.
Der größde Reichdum nüdzd dir am End goarnix.
Wer des ned begreifd is affn Holzweech underwegs.
Also richdi in dein Lebm danach und du ned zammramschn.
Wenner abber an Godd glabd
eifach a su, ohne Hindergedankn und Berechnung
dann habder die Hoffnung
dass Godd euch bei sich aufnimmd nachn Tod.
Des is die geheimnisvolle und freudiche Bodschafd,
die wie ein Lichd in unser Lebm neischdroahld.
Fränkisch von Albert Trommer
Wer Erntedank feiert und sich dessen bewusst ist, dass nichts selbstverständlich ist, kann die Botschaft des Psalms 49 und die Predigt zum Gleichnis vom reichen Kornbauern verstehen und versuchen im eigenen Leben umzusetzen.
Regionalbischöfin zu Besuch
Gleich am Sonntag nach dem Mundartgottesdienst wurde das Erntedankfest gefeiert und Pfarrer Kessel konnte als Predigerin die Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyern begrüßen, die auf Nachfrage auch ohne einen besonderen Anlass wie eine Einweihung oder ähnlichem gern in die Gemeinden kommt.
Musikalisch wurde der Gottesdienst in gewohnt professioneller Art vom Posaunenchor umrahmt und unterstützt. Die feierliche Stimmung und der Dank spiegelte sich auch in der schön geschmückten Kirche, was Mesner Klaus Kratzer wie jedes Jahr mit den Gaben von Gemeindegliedern sehr geschmackvoll übernommen hatte.
Thematisch knüpfte die Predigerin quasi nahtlos an das Thema des vorherigen Sonntags an. Im Predigttext vom reichen Kornbauern stellte sie zunächst die Frage, ob das Verhalten des Bauern nicht eigentlich eine ganz natürliche Herangehensweise wäre. Sie betonte, dass es tatsächlich nicht verwerflich sei, wenn Menschen klug wirtschaften und für schlechtere Zeiten vorsorgen.
Im Text wird aber auch deutlich, dass der Bauer seine Ernte zurückhält und spekuliert, um den Preis dadurch steigen zu lassen. Dabei kommt eine aktuelle Krise in den Blick: das ukrainische Getreide kann nicht wie vor dem Krieg auf den Weltmarkt gelangen, wird von Putin zurückgehalten mit katastrophalen Folgen für die Ernährung gerade des afrikanischen Kontinents.
Auch die Aussage und der Wunsch des reichen Kornbauern: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; hab nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!“ kann sich nicht erfüllen und Gott bezeichnet ihn als Narren, wenn er meint, er könne durch diese Art des Wirtschaftens tatsächlich zur Ruhe kommen.
Diese starke Botschaft will uns jedes Jahr aufs Neue zum Nachdenken bringen, welche Prioritäten wir in unserem Leben setzen.
Schön war es im Anschluss auch, im gewohnten Halbkreis das Abendmahl gemeinsam zu feiern.
Als Ausklang nach dem Gottesdienst konnte bei schönstem Herbstwetter noch beim Kirchenkaffee gemeinsam das Erntedankfest mit guten Gaben gefeiert werden.
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