Schwerpunkt
Weniger bekannte Kunstschätze in unserer Kirche St. Veit
Vor einigen Jahren wurde unsere Ottensooser Kirche St. Veit von Radio Gong für die Serie „Geheimes Gongland“ ausgewählt. Ich wurde von der zuständigen Journalistin über unsere Kirche interviewt. Das hat mich im Nachhinein auf die Idee gebracht, mich mit den unbekannteren Kunstschätzen zu beschäftigen. Deshalb möchte ich Ihnen ein Epithaph und zwei Grabplatten vorstellen, die durchaus das Prädikat „geheimnisvoll“ verdienen.
Der Burgvogt vom Rothenberg
An der Wand der Nordseite unserer Kirche unterhalb der Empore, und nicht sehr vom Tageslicht verwöhnt, hängt ein Gemälde, 0,83 m hoch und 0,99 m breit. Es zeigt die Auferweckung des Jünglings zu Nain aus dem Lukasevangelium (siehe Titelbild des Gemeindebriefes). Die Szene ist dramatisch. Im Mittelpunkt steht Jesus und „befiehlt“ die Auferweckung des jungen Mannes. Der mit mehreren Binden noch umwickelte Jüngling beginnt sich zu erheben. Eine männliche Gestalt zeigt ihm, wo sich seine Mutter befindet. Diese, dem Betrachter den Rücken zuwendend, streckt ihrem Sohn die Hand hin. Die Trauergemeinde des Leichenzuges folgt aufgeregt dem vor ihren Augen stattfindenden Wunder. Im Vordergrund im unteren Bildteil sind Blumen zu sehen und vielleicht auch die Grababdeckung. Der obere Bildteil ist dunkel gehalten, während die Mitte leuchtet. Bei dem Gemälde handelt es sich um ein Ölbild in einem schlichten Holzrahmen. Interessant ist jedoch vor allen Dingen die Unterschrift zu dem Bild. Dort steht sehr eindrücklich:
„Anno 1685 den 21/11 Monat (?) : Beschied in Gott. Titt: H. Georg Stubenrauch der Hochadeligen Herrn GanErben des haußes und Herrschafft Rotenbergs etlichunddreißig Jährig Treu. gewesene BurckVogt. desen gebeine in dieser Kirchen ruhen. der Seelen aber Gott genad.“
Diese Unterschrift macht aus dem Gemälde ein sogenanntes Epitaph, das heißt, ein Gedächtnismal für einen Verstorbenen. Es befindet sich im Unterschied zu einem Grabmal nicht an der Bestattungsstelle. Aus unserem Text geht jedoch eindeutig hervor, dass Georg Stubenrauch, ein Burgvogt des Rothenbergs, in unserer Kirche bestattet wurde ( „desen gebeine in dieser Kirchen ruhen“). Ein Burgvogt war der Vertreter einer Herrscherfamilie bzw. einer Ritterschaft, der für die Verwaltung, die Bewirtschaftung und die Verteidigung einer Burg zuständig war, so dass man sagen darf, dass eine wichtige, lokale Persönlichkeit in unserer Kirche seine letzte Ruhestätte gefunden hat.
Wie kommen die Grabsteine eines Schönberger Amtmanns und seiner Ehefrau in die Ottensooser Kirche?
Ebenfalls an der Nordwand des Ottensooser Kirchenschiffs in der Nähe des Marienaltars sind zwei Grabplatten zu finden, die mich schon seit mehreren Jahren beschäftigen. Auf der einen, 1,70 m lang und 0,78 m breit, ist ein grimmig dreinblickender Ritter in voller Rüstung zu sehen. Das Visier seines Helms ist aufgeklappt, der Mund ist etwas nach unten gezogen, er trägt offensichtlich einen Bart. Armschienen sind zu erkennen, seine linke Hand liegt am Griff seines Langschwertes. In festen Stiefeln steht er auf einer Platte. In den vier Ecken des Grabsteines sind Wappen angebracht, leider schon sehr verwittert und kaum kenntlich. Ebenso verhält es sich mit der umlaufenden Schrift. Einzelne Worte sind erkennbar, aber der gesamte Text ist kaum lesbar. Oberhalb der Gestalt ist sein Sterbejahr eingraviert: „Anno dom. 1551“
Daneben ist die Grabplatte einer Frau in die Wand eingelassen, deren Gesicht kaum mehr zu erkennen ist. Ihre Haare sind mit einer Haube bedeckt, sie trägt einen offenen Mantel. Sehr schön ist der Ärmelabschluss an der linken Hand zu erkennen. Sie hält einen Rosenkranz in den Händen. Auch hier ist die umlaufende Schrift nur schwer leserlich, die Wappen ebenfalls sehr verwittert. Interessant ist, dass die Jahreszahl ihres Todes offen gelassen wurde. Oberhalb des Reliefs ist zu lesen: „ Anno dom. 15..“ Dies lässt den Schluss zu, dass die Grabplatte bereits vor ihrem Tod angefertigt wurde. Die Grabplatte ist einige Zentimeter kürzer als die des Mannes.
Wer sind die beiden?
In dem Buch „Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken“ ist von Lorenz von Seckendorff und Agathe von Seckendorff die Rede. Der Band Nr. 50 der Altnürnberger Landschaft informiert darüber, dass es sich bei den von Seckendorffs um ein Simmelsdorfer Adelsgeschlecht handelt. Aber was haben Simmelsdorfer Adlige in unserer Ottensooser Kirche zu suchen?
Die Spur führt in unsere Nachbargemeinde Schönberg. Bei meinen Nachforschungen bin ich auf die Homepage des Schönberger Friedhofs gestoßen und habe gelesen, dass unsere Nachbarn bis 1687 ihre Toten in Ottensoos bestatteten, da sie keinen eigenen Friedhof besaßen. Die Schönberger Jakobuskirche ist erst 1900/1901 auf dem Gelände einer ehemaligen Burg bzw. eines Schlosses erbaut. Diese Anlage wurde zum Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen. Auf dem Schönberger Kirchengelände erinnert nur noch der „Hungerturm“ daran. In dieser Burganlage befand sich lediglich eine Kapelle. Die Bestattungen fanden in Ottensoos statt, die Ottensooser Kirche St. Veit galt als die Mutterkirche dieser Burgkapelle. Obwohl unsere Region seit Beginn des 16. Jahrhunderts zur Freien Reichsstadt Nürnberg gehörte, war die Schönberger Burg im Besitz der Markgrafen von Ansbach, der „Erbfeinde“ der Nürnberger. Die Markgrafen residierten natürlich nicht selbst in Schönberg, sondern setzten einen adligen Amtmann für ihre Burg ein. Dieser markgräfliche Amtmann zu Schönberg ist „unser“ Lorenz von Seckendorff.
Kennt man einmal die näheren Umstände, betrachtet man die Grabplatten noch einmal ganz anders. Man weiß sozusagen, wonach man suchen soll und so formen sich aus den verwitterten gotischen Buchstaben, die scheinbar nur aus unterschiedlich großen Strichen zu bestehen scheinen, auf einmal Buchstaben und Namen.
So erkennt man auf Agathes Grabplatte ganz deutlich „Lorenzin von Seckendorff“ (die Frauen wurden damals offensichtlich mit dem Namen ihres Ehemannes genannt unter Anhängen der Silbe „in“. Wir haben in unserer Kirche auch eine Bronzeplatte der „Stubenrauchin“, aber davon vielleicht ein andermal). Auf der Grabtafel des Ehemannes ist vom „Amptmann zu Schönberg“ zu lesen. Sehr interessant ist auf der Grabplatte der Agathe, dass nicht nur das Todesjahr 1557 fehlt (s. ob.), es könnte sein, dass ihre Grabplatte zur gleichen Zeit wie die ihres Mannes angefertigt wurde, sondern auch, dass sie einen Rosenkranz in Händen hält.
In der evanglischen Frömmigkeit hat der Rosenkranz keine Bedeutung, während er im katholischen Raum eine weitverbreitete Andachtsform darstellt. Wurden in unserer Kirche dreißig Jahre, nachdem Ottensoos bereits evangelisch war, Katholiken beigesetzt? Zudem hatten auch die Ansbacher Markgrafen, in deren Diensten von Seckendorff stand, 1525 den reformatorischen Glauben angenommen. Es gab zwar gerade im 16. Jahrhundert immer wieder Konfessionswechsel, je nachdem welche Konfession der jeweilige Landesherr hatte. Es könnte aber auch sein, dass zu Beginn der Reformation das Beten eines Rosenkranzes auch im evangelischen Raum nicht unüblich gewesen ist.
Im Gegensatz zu einem Epitaph war eine Grabplatte über dem Leichnam im Boden eingelassen. Das bedeutet, dass die Platten in der Nordwand ursprünglich wie Fliesen die Stelle im Kirchenraum bedeckten, unter denen die Verstorbenen von Seckendorffs ruhen.
Der ehemalige Ottensooser Bürgermeister Hans Gemmel hat mir vor Jahren erzählt, dass er, wie auch andere Jugendliche und junge Männer, bei der großen Kirchenrenovierung in den 1950er Jahren und beim Einbau der Heizung 1961 ehrenamtlich mitgeholfen hat. Dabei kamen beim Aufgraben zur Verlegung der Heizungsrohre im Bereich des Taufsteins und des Altaraufgangs Gebeine von Verstorbenen ans Tageslicht. Darunter waren vielleicht auch jene der von Seckendorffs. Diese Gebeine wurden jedoch wieder in den Erdboden zurückgegeben.
Auch Frau Lore Kassner konnte mir Interessantes über die Funde während des Heizungseinbaus berichten. Der damalige Ottensooser Pfarrer Ernst Wunderlich zeigte ihr beispielsweise einen Lederschnallenschuh, wie ihn damals die Männer getragen haben, sogar ein weiblicher hochhakiger Stöckelschuh kam zum Vorschein. Sogenannte Sterbekronen, aus Kupferdraht mit Glasperlen geschmückt, wurden entdeckt. Ganz besonders beeindruckt war sie jedoch von den blonden bzw. rotblonden Frauenhaaren, teilweise noch zu Zöpfen geflochten und einem noch lesbaren Gebetbuch. Dass all dies so gut erhalten geblieben war, ist mehreren kleinen Rundbogengewölben, vergleichbar den damaligen Backöfen, zu verdanken, die sich im Boden des Kirchenraumes befinden. In diesen trockenen Hohlräumen haben sie die Zeiten unbeschadet überdauert und wurden wieder zurückgelegt.
So ist unsere Kirche St. Veit auch ein Friedhof und ich finde es einen schönen Gedanken, dass während des Gottesdienstes die Lebenden und die Toten so nahe „beieinander sind“.
Wir stehen ja auch vor einer größeren Kirchenrenovierung. Lassen wir uns überraschen. Vielleicht gibt es danach auch Interessantes oder sogar Geheimnisvolles zu vermelden.
Reinhold Pürkel
Quellen: Schriftenreihe der Altnürnberger Landschaft, Band 50, 2006, Die Kunstdenkmäler von Mittelfranken, R. Oldenbourg Verlag München, 1966
Sehr dankbar bin ich Norbert Weber aus Schönberg, der die Texte für die Homepage des Schönberger Friedhofs geschrieben hat und für seine wertvollen Tipps zu Epitaphen und Grabplatten.
Bildnachweis: Huth, Elke Schmauß
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